Verordnung für Cell Broadcast steht – aber kein Termin

Warnmeldungen per Cell Broadcast werden in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Die entsprechende Verordnung hat jedoch eine eklatante Lücke.

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(Bild: TPROduction/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Nico Ernst

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat eine Verordnung über die Einführung der Warntechnik Cell Broadcast vorgelegt. Damit regelt das Ministerium technische Details und Betriebsabläufe des Funkwarnsystems, dessen Einführung der Bundestag mit der Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zum 1. Dezember 2021 beschlossen hatte. Bei Cell Broadcast strahlt eine Mobilfunkzelle eine Warnmeldung in Dauerschleife aus und erreicht damit alle Geräte, die in der Zelle eingebucht sind.

Provider sollen der Verordnung zufolge mindestens je zwei Cell Broadcast Center (CBC) einrichten, die für die Verteilung der Warnmeldungen zuständig sind und auch ohne öffentliche Stromversorgung funktionieren. Die CBC sollen auch "dem Stand der Technik entsprechend" gegen Missbrauch gesichert werden.

Damit Warnungen erfolgen können, müssen die Center an das Modulare Warnsystem des Bundes (MoWaS) angeschlossen werden. Sowohl örtliche Behörden als auch das Bundesamt für Bevölkerungschutz und Katastrophenhilfe (BKK) können dann Warnungen auslösen. Welche Endgeräte in welchem Radius sie erreichen sollen, muss das System automatisch ermitteln – üblich ist bei MoWas-Warnungen, die bisher unter anderem über die Apps Katwarn und NINA erfolgen, die Alarmierung von Landkreisen.

Federführend bei Aufbau und Kontrolle der neuen Infrastruktur ist der Verordnung zufolge das BBK, die Behörde wird damit deutlich gestärkt. Daneben soll die Bundesnetzagentur den Betrieb überwachen. Dazu müssen unter anderem echte Warnungen und Testmeldungen protokolliert und mit Referenznummern versehen werden, die Netzagentur kann diese Protokolle einsehen.

Während die Verordnung viele Zuständigkeiten schon im Detail regelt, fehlt jedoch eine Vorgabe, ab wann das System funktionsbereit sein soll. Das kritisiert etwa der Verband Ingenieure für Kommunikation (IfKom) in seiner Stellungnahme: "Ein Zeitplan würde die Einführung des Systems deutlich unterstützen." Dem Vorschlag des IfKom, eine Umsetzungsfrist bis zum 31. 12. 2022 in die Verordnung zu übernehmen, ist das Ministerium nicht gefolgt.

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Dass die Bundesregierung keinen Termin für Cell Broadcast setzt, ist im Hinblick auf klare Fristen der EU bemerkenswert. Der 2018 verabschiedete europäische Kodex für die elektronische Kommunikation schreibt den Mitgliedern die Einführung eines Systems vor, mit dem "die Anbieter von mobilen nummerngebundenen interpersonellen Kommunikationsdiensten den Endnutzern öffentliche Warnungen übermitteln". Stichtag: 21. Juni 2022.

"Seit 2018 gibt es europäische Vorgaben in Artikel 110 der EU-Richtlinie 2018/1972 für das geplante System 'EU-Alert'", kritisiert Manuel Atug, Sprecher des Arbeitskreises Kritische Infrastruktur (AG Kritis), gegenüber heise online. Cell Broadcast erfüllt diese Vorgaben. "Eine Umsetzung passend zur EU-Frist scheint offensichtlich nicht gegeben, sodass auch hier wieder der Bevölkerungsschutz hinten angestellt wird."

Dass es in Deutschland, anders als beispielsweise in den Niederlanden oder Griechenland, kein Cell Broadcast gibt, war neben anderen Fehlern in den Warnketten bei der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021 schmerzhaft aufgefallen. Im August machte dann zuerst Innenminister Horst Seehofer (CSU) Druck und im September beschloss der Bundestag einstimmig eine entsprechende Gesetzesänderung. Am Freitag soll sich der Bundesrat damit befassen – ob er sich dann für einen konkreten Termin ausspricht, ist noch nicht abzusehen.

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