Versorger fürchten Nebenwirkungen des Smart Grid

Nach einer Studie des Datenbankspezialisten Oracle fürchtet fast die Hälfte der nordamerikanischen Strom-, Gas- und Wasserversorger die Reaktion ihrer Kunden auf höhere Preise. Nur ein Fünftel ist bereits dabei, sein Versorgungsnetz zum Smart Grid auszubauen. Ob sich Smart Grids und intelligente Stromzähler für den Verbraucher lohnen, ist zudem eine ganz andere Frage.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 39 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Anlässlich der gerade in Florida laufenden Fachmesse Distributech veröffentlichte der Datenbankspezialist Oracle die Ergebnisse einer Umfrage zu den Erwartungen an das intelligente Stromnetz (Smart Grid). Dazu gaben 150 Entscheider eher kleinerer US-amerikanischer und kanadischer Versorger ("C-level utility", um 100.000 Kunden) für Strom, Gas und Wasser Auskunft, wie sich nach ihrer Meinung das Smart Grid in den nächsten zehn Jahren entwickeln wird, welche Herausforderungen und Chancen sie sehen. Die Ergebnisse sind sicher nicht 1 : 1 auf den hiesigen Markt übertragbar, denn er ist nicht so zersplittert wie jener in den USA und Kanada. Dennoch dürfen die Resultate als Indiz gelten.

Eines der Schlüsselergebnisse lautet, dass fast die Hälfte der Befragten (43 Prozent) die Reaktion ihrer Kunden auf Preiserhöhungen fürchtet. Denn das Aufrüsten der Verteilnetze zur automatisierten, kurzzeitigen Verbrauchserfassung und besseren Steuerung des Energieflusses geht mit hohen Investitionen einher, die sich die Versorger von ihren Kunden finanzieren lassen müssen. 30 Prozent bezweifeln sogar, dass sich die Investitionen überhaupt über den Arbeitspreis (Cent pro Kilowattstunde beziehungsweise Kubikmeter) hereinholen lassen.

Die beiden wichtigsten Gründe zur Smart-Grid-Einführung sind für die Befragten das Steigern von Versorgungssicherheit und Effizienz (45 Prozent) sowie das Fernauslesen der Zähler (Smart Metering, 41 %). Indes ist laut Oracle derzeit nur jeder Fünfte aktiv dabei, sein Netz systemweit in diese Richtung auszubauen. Von den kleinen Versorgern (unter 100.000 Kunden) verhält sich ein Drittel abwartend und beobachtet, was seine Konkurrenten tun; ein Viertel plant immerhin schon die Einführung.

Als die am ehesten in Erscheinung tretenden Smart-Grid-Komponenten sehen die Versorger das Smart Metering (63 %) zusammen mit Nachfragereaktion (Demand Response, also schnellere Reaktion auf Lastspitzen) und verbrauchsspitzenabhängige Preise (48 %). Trotz eines höheren Strompreises sollen die Kunden dennoch auf lange Sicht profitieren, und zwar durch bessere Kenntnis über den aktuellen Verbrauch, bessere Umweltverträglichkeit, ein stabileres Netz und interessanterweise niedrigere Energiekosten. Den Widerspruch zur oben postulierten Befürchtung höherer Preise löst die Studie leider nicht auf.

Was nicht ausgesprochen wird: Wenn man die Skeptikerbrille aufsetzt und die Situation aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, kann die beispielsweise beim Strom mit dem Smart Metering mögliche viertelstundengenaue verbrauchsorientierte Preisung als Machtinstrument gelten. Es soll Elektrizitätskunden dazu bringen, ihren Verbrauch in Spitzenlastzeiten mehr oder weniger freiwillig einzuschränken. Greift dieser Mechanismus, dann können die Energieversorger Investitionen hinausschieben oder gar vermeiden, mit denen sie ihren Kraftwerkspark und das Verteilnetz ausbauen müssten, damit das System der langfristig steigenden Last gewachsen bleibt.

Der Verbraucher steht damit vor der Frage, ob er sein Verhalten den Wünschen der Versorger anpassen möchte oder lieber höhere Preise in Kauf nehmen will. Der gern propagierte Spareffekt fällt einer Metastudie von 2008 zufolge mit 1 bis 14 Prozent jedenfalls klein aus. Damit dürfte man die Kosten fürs Smart Metering nicht decken können, selbst wenn jede auf die Nacht verschobene Kilowattstunde einen Cent spart. Denn bei manchem tageszeitabhängigen Stromtarif spart eine Familie selbst dann nur knapp 4 Euro pro Monat, wenn sie ihren Jahresumsatz von 4000 kWh komplett in die günstigere Zeit verlegt. Wer mit einem Smart Meter liebäugelt, muss derzeit also mit einem sehr spitzen Bleistift rechnen.

Siehe dazu auch:

(ea)