Vier fürs Handy

Nvidia will offenbar um jeden Preis den ersten ARM-Quad-Core für Mobilgeräte präsentieren und geht für diese Marketing-Strategie einige Kompromisse ein.

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Mit dem Tegra 2 hat Nvidia Anfang 2010 den ersten Dual-Core-Prozessor für Smartphones vorgestellt und den Markt aufgemischt. Damit Handys und Co. in Zukunft noch mehr Rechenpower bekommen, hat Nvidia für seinen Nachfolger Tegra 3 ein einfaches Konzept: Vier statt bisher zwei Cortex-A9-Kerne arbeiten gegenüber dem Tegra 2 mit einer von 8 auf 12 Shadern erweiterten Grafikeinheit zusammen. Das Speicher-Interface hat Nvidia nur leicht überarbeitet: Mit LP-DDR2 ist jetzt etwa 50 Prozent mehr Transferrate möglich als beim Tegra 2, mit DDR3L gut das Doppelte.

Die Architektur von CPU- und GPU-Kernen bleibt unverändert; die Taktfrequenz steigt nur mäßig. Bis zu 1,4 GHz sollen als „Turbo“ möglich sein, wenn nur ein Kern aktiv ist. Sonst sind maximal 1,3 GHz drin. Laut ARM würden die Cortex-A9-Kerne auch Taktfrequenzen im 2-GHz-Bereich vertragen. Dass Nvidia diese nicht ausschöpft, deutet darauf hin, dass der Chip sonst zu viel Strom verheizen würde.

Damit der Akku von Mobilgeräten bei der Wiedergabe von Musik und Videos bis zu 12 Stunden durchhält, greift Nvidia zu einem Trick: Dann legen sich nämlich die vier auf hohe Performance optimierten Cortex-A9-Kerne schlafen und es übernimmt ein fünfter die Koordination der Datenströme. Dieser stammt ebenfalls aus der Cortex-A9-Reihe, taktet aber nur mit maximal 500 MHz und wurde auf niedrige Leistungsaufnahme optimiert. Dabei nutzt Nvidia ein spezielles Angebot des Auftragsfertigers TSMC. Deren 40LPG-Prozess erlaubt es, innerhalb eines auf hohe Taktfrequenzen ausgelegten Chips (40G) eine sparsame Insel mit Low-Power-Technik (40LP) für eben diesen „Companion Core“ anzulegen.

Vergleicht man den Tegra 3 mit den von der Konkurrenz für 2012 angekündigten Chips, so zeigt sich, wo Nvidia Kompromisse eingeht: Qualcomm legt selbst Hand an die A9-Architektur, um deren Stromverbrauch zu senken und den Vierkern-Snapdragon Krait auf bis zu 2,5 GHz zu bringen. Texas Instruments wiederum setzt beim OMAP5 gleich auf den moderneren Cortex-A15 (Codename Eagle), der aus dem gleichen Strombudget die doppelte Performance schöpfen soll wie der A9 und zudem Tricks beherrscht, um mehr als 4 GByte RAM anzusprechen. Allerdings wird der OMAP5 noch etwas auf sich warten lassen. Er soll übrigens gleich zwei Companion-Cores haben, die aber aus der extrem sparsamen Cortex-M4-Reihe stammen und sich laut ARM jeweils mit 1,2 Milliwatt begnügen. Zum Vergleich: Das auf Stromsparen optimierte Hard-Makro des A9 spezifiziert ARM mit 500 Milliwatt. Für Nvidias Ansatz spricht, dass alle fünf Kerne binärkompatibel sind, was die Programmierung vereinfacht.

Die Grafikeinheit des Tegra 3 soll bis zu dreimal schneller sein als beim Tegra 2, allerdings hat Nvidia während der Tegra-3-Vorstellung keinerlei 3D-Benchmarks gezeigt, die diese Aussage stützen. Dass der Name „ULP GeForce“ gleich geblieben ist, verwundert nicht, denn Nvidia hat lediglich vier Shader-Rechenkerne hinzugefügt. Diese sind alle nur für Pixel-Shader-Berechnungen gedacht, die Anzahl der Vertex-Shader-Kerne bleibt bei vier. Durch die höhere Grafikleistung wird es bei einigen speziell angepassten Spielen schönere Effekte zu sehen geben, etwa bei Shadowgun, Sprinkle oder Riptide. Über 15 Spiele sind derzeit laut Nvidias Marketing-Direktor Matt Wuebbling in Entwicklung, die auf Tegra-3-Geräten zusätzliche Effekte zeigen.

Der ULP GeForce unterstützt auch 3D-Stereoskopie und beschleunigt über seinen Treiber WebGL-Anwendungen. Für universelle Berechnungen (GPGPU) ist er aufgrund seiner Architektur nicht geeignet.


Der Tegra 3 soll das Husarenstück seines Vorgängers wiederholen. Doch diesmal hat Nvidia kein so leichtes Spiel: Erstens brachte der Sprung auf zwei Kerne auch für ältere Software Vorteile, während Quad-Cores nur bei optimierten Anwendungen glänzen. Zweitens hat die Zeit nur gereicht, um per Copy & Paste die alten Kerne zu klonen und immerhin die Neon-Erweiterung aufzunehmen. Von Optimierungen oder mehr Effizienz ist keine Rede, richten soll es die Software. Diese Kompromisse bei Performance und Stromverbrauch werden weder kreatives Benchmarking noch allzu durchschaubare Rechentricks vertuschen können.

Der Companion-Core ist eher eine Notlösung, weil es sich dabei um einen alten Standard-Kern handelt, der auf einem Stromsparinselchen sitzt. Aber ein hochoptimierter Sparkern wie der erst kürzlich vorgestellte Cortex-A7, der zum A15 passt, hätte noch mehr Software-Anpassungen erfordert.

Egal ob Tegra 3 technisches Meisterstück oder doch eher hastiges Flickwerk ist, er bringt auf jeden Fall Bewegung in den Handheld-Markt. Ich jedenfalls freue mich auf den Tag, an dem ich mit Smartphone oder Tablet genau so flink surfen kann wie mit einem Desktop-PC. (bbe)


Machen wir es kurz: Die Grafikleistung des neuen ULP GeForce ist nicht so revolutionär, wie Nvidia es uns auftischen will. Die vier zusätzlichen Pixel-Shader-Kerne lassen noch hübschere Effekte zu, sind aber nicht der große Wurf. Im Vergleich mit der Konkurrenz sieht der ULP GeForce sogar ziemlich bescheiden aus. So ist etwa Apples iPhone-4S-GPU technisch einen Schritt weiter: Sie bietet Unified Shader, nutzt ein effizienteres Renderverfahren und unterstützt Vollbild-Kantenglättung ohne großen Performance-Verlust. Und schon 2012 soll es erste Handhelds mit ARMs moderner Mali-T604-GPU geben, die sogar kompatibel zu OpenCL und DirectX 11 ist. Nvidia kann es sich also nicht leisten, beim Tegra-3-Nachfolger Wayne wieder nur die Zahl der Einheiten zu erhöhen.

Klar, ein paar Entwickler hat die fraglos innovative Firma aus Santa Clara überzeugt, hübsche Zusatzeffekte in ihre Spiele einzubauen. Doch sie werden sich hüten, ausschließlich für Tegra 3 zu entwickeln, denn sie sind bei den nur wenigen Euros teuren Spielen auf eine enorm große Käuferschar angewiesen, um die Kosten hereinzuholen. Überdies ist bei Handheld-Spielen die Grafik nicht so wichtig wie auf PC oder Konsole – da zählen eher die Angry-Birds-Punkte. (mfi)