Vista, Office und die Folgen

Nach der Verschiebung des Verkaufsstarts von Windows Vista und Office 2007 auf den Januar kündigt Microsoft Veränderungen in den Geschäftbereichen und eine Umorganisation der Plattform-Division an.

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Von
  • Reiko Kaps

Nachdem Microsoft den Verkaufsstart der Endkundenversion von Windows Vista und kurz danach auch das neue Office-Paket in der Consumer-Version auf Januar 2007 verschoben hat, zeichnen sich unterschiedliche Meinungen über Gründe und Auswirkungen dieser Maßnahme ab.

Negative Auswirkungen der Verzögerung des Vista-Starts sind besonders im klassischen Wintel-PC-Markt zu erwarten: Kunden könnten ihre Entscheidung zum Kauf auf das nächste Jahr verschieben, vermuten Beobachter. Gene Munster, Analyst bei Piper Jaffray, ist der Meinung, dass die Verschiebung Apple begünstigt. "Wenn Kunden danach Ausschau halten, was Vista verspricht, ist die Entscheidung einfach", meinte er gegenüber dpa. Funktionen, die das neue Microsoft Betriebssystem erst in Aussicht stellt, seien bereits in Mac OS X enthalten. Sicherheits- und Multimediafunktionen habe Apple schon in sein Betriebssystem integriert. Auch Richard Farmer, Experte bei Merrill-Lynch, sieht für Apple eine Situation, in der das Unternehmen von einer Schwächung Microsofts profitieren könne.

Die Auswirkungen des vertagten Starts von Vista für die Börse werden eher gelassen eingeschätzt. Für Walter Pritchard von SG Cowen ist die Verschiebung weniger ein grundlegendes Thema als ein allgemeines psychologisches Problem für den Markt und für Microsoft. Die Microsoft-Aktien seien bei ihnen aus anderen Gründen beliebt: Insbesondere der "Server- und Tool-Markt" verspreche eine hohe Dynamik der Aktien. Ähnliche Aussagen zitiert das Wall Street Journal auch von anderen Analysten: So erwartet Heather Bellini (UBS) möglicherweise höhere Verkäufe der Xbox 360 im Weihnachtsgeschäft, die die Ausfälle bei den PC-Verkäufen etwas abmildern könnten. Langfristige Auswirkungen der Verschiebung werden von den Analysten kaum gesehen.

Wenn es allerdings um Microsofts Strategie bei der Entwicklung geht, zeigen sich auch andere Meinungen. Michael Silver, Analyst bei Gartner, sieht Microsoft hier unter stärkerem Druck, besonders, da Applikationen immer unabhängiger von bestimmten Betriebssystemen werden. Konkurrent Apple sei momentan besser und schneller. Ende der Neunzigerjahre habe Apple einmal sein Betriebssystem grundlegend erneuert, jetzt erweiterten sie es stetig um maßgebliche und wichtige Funktionen.

Über die Terminschiebungen hinaus kündigte der Konzern mittlerweile an, die Struktur der Betriebssystemsparte zu ändern: Steve Sinofsky wechselt an deren Spitze und wird dort die Aufgaben von Jim Allchin, Vizepräsident der Microsoft-Division für Betriebssysteme, übernehmen. Sinofsky war bislang im Bereich Office-Anwendungen tätig und Leiter von Microsofts Office-Bereich. Er wird für die Planung und Umsetzung neuer Windows-Versionen zuständig sein. Allchin hatte bereits früher angekündigt, dass er sich im kommenden Jahr zurückziehen und in Rente gehen wird.

Laut Microsoft ist diese Maßnahme ein Teil einer umfassenden Umstrukturierung des Software-Konzerns, die offenbar auch unter Microsoft-Angestellten heftig diskutiert wird. Die Platform & Services Division wird dabei komplett umgebaut; sie soll nunmehr aus acht Gruppen bestehen. Die Abteilung von Sinofsky wird als "Windows and Windows Live Group" geführt, sie hat die Verantwortung für die Umsetzung der Windows- und Live-Strategie bei Microsoft. Darüber hinaus soll die "Core Operating System Division" unter Brian Valentine die Entwicklung der Windows-Basis vorantreiben, während die "Windows Live Platform Group" unter Blake Irving einige MSN-Gruppen zusammenfassen und die Basis für die Live-Angebote weiterentwickeln soll. Dazu kommen die "Online Business Group" unter David Cole, die "Market Expansion Group" unter Will Poole, die "Windows Client Marketing Group", geführt von Mike Sievert, die "Developer and Platform Evangelism Group", die Sanjay Parthasarathy leiten wird, sowie die "Server and Tools Business Group" unter Bob Muglia. (rek)