WIPO-Krise spitzt sich zu

Die Vorwürfe gegen den WIPO-Generaldirektor, der bei seiner Einstellung falsche Angaben gemacht haben soll, belasten die Organisation für das geistige Eigentum. Die Generalversammlung hatte wegen des Streits kein Budget für 2008 verabschiedet.

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Von
  • Monika Ermert

Die World Intellectual Property Organisation (WIPO) hat auch nach ihrer Generalversammlung gestern in Genf noch kein verabschiedetes Budget für das Jahr 2008; das Budget wird laut Experten nun auf dem aktuellen Stand eingefroren. Der heftige Streit um Generaldirektor Kamil Idris sorgte für ein Patt bei den Budgetverhandlungen. Inzwischen warnen verschiedenen Seiten vor einer Beschädigung der WIPO durch die Affäre.

Idris wird unter anderem vorgeworfen, sein Alter bei der Einstellung bei der WIPO im Jahr 1982 falsch angegeben zu haben. Statt seines – inzwischen von ihm selbst richtig gestellten – Geburtsjahrs 1954 habe der aus dem Sudan stammende Beamte damals 1945 angegeben. 24 Jahre beließ Idris seine Verwaltung in dem Glauben an das falsche Datum, erst 2006 änderte er es ab.

Die USA, die Schweiz und – zumindest teilweise – die EU sowie andere westliche Länder hatten verlangt, dass die Vorwürfe gegen Idris geklärt werden müssten, bevor das Budget 2008 verabschiedet werden könnte. Dagegen halten afrikanische Delegationen mit Unterstützung von arabischen Staaten und vielen Entwicklungsländern uneingeschränkt an Idris fest.

Hätte der Generaldirektor nicht das falsche Datum angegeben, wäre seine Karriere nicht die gleiche gewesen, sagte der Genfer US-Botschafter Warren Tichenor, der Idris Anfang der Woche noch einmal aufforderte, Rede und Antwort zu stehen. Selbst US-Außenministerin Condolezza Rice hatte sich laut einem Bericht des konservativen Blatts National Review im Vorfeld der Generalversammlung an die US-Diplomaten im Ausland gewandt und sie aufgefordert, dafür zu werben, dass Idris zur Rechenschaft gezogen werden soll.

Idris zog es während der Generalversammlung allerdings vor, praktisch nicht im Plenum zu erscheinen. Laut Beobachtern war er den Debatten der vergangenen Tage mit Ausnahme eines Empfangs und einer Sitzung zur Verabschiedung der Development Agenda fern geblieben. Statt sich persönlich den Vorwürfen zu stellen, hatte Idris zu Beginn der Generalversammlung die Vorwürfe in einem Papier als gegen ihn persönlich gerichtete Kampagne abtun lassen. Seitdem hatten sich seine afrikanischen Unterstützer und die Industrieländer in endlosen Verhandlungsrunden beharkt. "Alles ging endlos langsam, selbst für die Tagesordnung brauchte man schon eineinhalb Tage", bemerkte ein Beobachter.

"Wir müssen aber unsere Rechenschaftspflicht wahrnehmen", sagte der stellvertretende Schweizer Delegationsleiter Felix Addor vom Institut für Geistiges Eigentum in Bern. "Wir können doch nicht einfach so ein Budget beschließen, in dem massive Erhöhungen vorgesehen sind." Addor sagte gegenüber heise online, die Schweiz sei sehr wohl bereit gewesen, das neue Budget zu verabschieden sobald der Generalsekretär die Zweifel an seiner Amtsführung im Plenum ausgeräumt hätte.

Ähnlich hatte sich Tichenor geäußert: Man wolle vom Generaldirektor nur ein ja oder nein zu einer einfachen Frage, nämlich ob er die für die Organisation geltenden Regeln verletzt habe. Die EU tat sich offenbar recht schwer mit einer gemeinsamen Position. Die deutsche Delegation wollte gegenüber heise online nicht Stellung beziehen. Frankreich und Italien hätten offenbar gerne an Idris festgehalten. Laut einem Bericht von Thiru Balasubramaniam, der die Organisation Knowledge Ecology International in Genf vertritt, hatte Portugal allerdings am Montag erklärt, die EU habe das Vertrauen in die WIPO-Führung verloren.

Selbst einzelne Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die regelmäßig auf Seiten der Entwicklungsländer stehen, wenn es ums Geistige Eigentum und die Aktivitäten der WIPO geht, fürchten inzwischen Schaden für die Organisation. Sisule Musungu, WIPO-Experte und ehemaliger Mitarbeiter des South Centre, warnt in seinem Blog vor allem davor, dass die WIPO Development Agenda ins Hintertreffen geraten könnte – das Projekt, das NGOs und Entwicklungsländer gegen die Industrieländer durchgedrückt haben. Letzteres wurde in der ersten Woche der Generalversammlung verabschiedet und unter anderem von der Free Software Foundation Europe sehr begrüßt.

Das Geistige Eigentum soll künftig differenzierter und auch mit Blick auf dessen Kosten für die ärmeren Länder betrachtet werden. "Nur eine vertrauenswürdige, von Korruption und Skandalen freie Führung bei der WIPO kann die umfassende und richtige Umsetzung der WIPO Development Agenda auf den Weg bringen", schreibt nun Musungu. Daher solle man nicht sich nicht einfach "brüderlich" verhalten oder schweigen, sondern in der Idris-Debatte auch Stellung beziehen.

Tatsächlich fehlen mit dem nicht verabschiedeten Budget nun erst einmal auch die Mittel für die weitere Arbeit an der neuen Development Agenda. Laut Addor muss nun das das so genannte Koordinierungskomitee der WIPO zusammentreten und personelle Konsequenzen diskutieren. Irgendwann in den nächsten beiden Monaten müsse dann die Generalversammlung erneut zusammentreten. Die WIPO dürfte angesichts der Entwicklung in ihrer größten Krise stecken, nur der Rücktritt von Idris könnte vermutlich eine rasche Lösung bringen. (Monika Ermert) / (vbr)