Was war. Was wird. Vom Geist des Grundgesetzes getragen.

Wer nicht alles Kalif werden will anstelle der Kalifin. Selbst vom sozialistischen Kollektiv träumende Youngster, oder delirierende, naja ... grummelt Hal Faber

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Was war. Was wird. Vom Geist des Grundgesetzes getragen.

Ja, es ist unser Europa, und wir sollten es nicht irgendwelchen nationalistischen Idioten in die Hände fallen lassen.

(Bild: NicoElNino / shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen." Komische Sätze, schräge Gedanken zum Wohle einer niemals definierten Allgemeinheit? Vor 70 Jahren trat am 23. Mai 1949 das Grundgesetz in Kraft, was für viele wohlfeile Aufsätze in den Blättern und Blogs dieser Republik sorgt. Am Kiosk ist das Grundgesetz ein Renner.

Schlappe 14 Tage hatte ein Verfassungskonvent der westzonalen Ministerpräsidenten auf Herrenchiemsee im Jahre 1948 gebraucht, um 149 Artikel für ein Grundgesetz eines künftigen "Bund deutscher Länder" in einer ersten Fassung zusammenzustellen. Etliche Artikel waren in verschiedenen Alternativen ausgeführt, so auch dieser Artikel 14, der in anderer Fassung auch die entschädigungslose Enteignung kannte. Insgesamt fühlten sich die westdeutschen Parteien von den Ministerpräsidenten übers Ohr gehauen, weil sie nicht an den föderalen Beratungen beteiligt waren. Doch das schließlich verabschiedete Grundgesetz erwies sich als "guter Wurf für einen rechtssicheren Weg in den demokratischen Sozialismus". Der das sagte, war kein maschinenstürmerischer Jungsozialist, sondern der Jurist Hermann Brill, zu diesem Zeitpunkt Chef der hessischen Staatskanzlei.

*** Nun hat der Jungsozialist Kevin Kühnert im EU-Wahlkampf mit einer Zeitung gesprochen und ein paar Ideen zur Überwindung der kapitalistischen Malaise geäußert. Sein Vorschlag einer demokratischen Kollektivierung von BMW mit einer Überführung in das "Automobilkombinat Kevin Kühnert" (AKK) hat verschiedene Politiker stark verstört. Besonders heftig traf es den Automobil-Minister Andreas Scheuer von der Automobilpartei CSU, der in Kühnert den Gottseibeiuns über unsere Republik gekommen sah. Aber auch gestandene SPD-Mitglieder mussten ihren Senf aus der Tube drücken. Hach, das waren noch Zeiten, als ein 34-jähriger Rechtsanwalt aus Hannover Juso-Kandidat war und sich gar nicht mit einem einzelnen Autobauer befasste: "Schröder tritt für die Vergesellschaftung aller wichtigen Wirtschaftszweige ein." Wie war das noch, als von Hannover aus der Quietismus der Jusos bekämpft, die Mitbestimmung und Vermögensbildung der Arbeiter als staatsmonopolkapitalistische Umarmungstrategie abgelehnt wurde? Andere Zeiten, andere Sprüche? Wenn selbst der Chef des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung davon spricht, dass die soziale Marktwirtschaft nicht länger sozial genannt werden kann, ist das allemal verständlicher als der neuerdings so beliebte Hass der Alten auf die Jungen, die ihr Studium nicht beendet haben oder Freitags nicht in die Schule gehen. Was ist schon ein Fackelmarsch gegen diese Frechheit?

*** Bleiben wir bei der CSU und ihrem ruhmreichen Schaffen im Verkehrsministerium. Damals, als Alexander Dobrindt noch führender Kopf in diesem Hause und nicht damit beschäftigt war, die Grünen als Enteignungspartei zu diffamieren, stellte eben dieses Haus ein Strategiepapier Digitale Souveranität vor. In dem Papier war als Teil der tollen neuen Strategie viel vom digitalen Datenreichtum die Rede, von einem Vermögen, das die Autobranche abschöpfen könnte. Jedes Auto produziere 25 Gigabyte Daten pro Stunde, die doch vom Souverän vertickert werden könnten, hieß es im Strategiepapier. In dieser Woche ist der Versuch gescheitert, mit dem Informationsfreiheitsgesetz herauszufinden, ob die Automobilindustrie bei der Abfassung des Strategiepapiers ihre Hand im Spiel hatte. Denn huch, es gibt im gesamten Ministerium keine Dokumentation zum Strategiepapier und die Person, die es geschrieben hat, arbeitet längst woanders, bei einer Bundestagsfraktion. Man könnte glatt von einer schleichenden Enteignung reden, oder ist eine heimliche Abschleichung passender? Nimmt da ein begnadeter Stratege alle Unterlagen seiner Arbeit aus dem Ministerium mit hinüber zur Partei und verhindert so, dass diese Regierung eine souveräne Digitalstrategie fahren kann? Hat gar DIEM25 die technologische Souveränität geklaut? Diesen Sozialisten ist doch alles zuzutrauen.

*** Zur Sicherung unserer republikanisch-föderalen technologischen Souveränität haben wir eine Behörde, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Worum es sich alles kümmern muss, zeigt das Programm für den anstehenden IT-Sicherheitskongress des BSI. In dieser Woche hat sich das BSI nicht nur über das Austricksen von Mail-Signaturen geäußert, sondern auch zu den geplanten mobilen Authentifizierungsverfahren bei der angekündigten elektronischen Patientenakte. Für diese Verfahren ist nach den neuesten Gesetzesänderungen nicht mehr die Prüfung durch das BSI vorgesehen, das nur noch "ins Benehmen" gesetzt werden muss. Das ist offenbar passiert und so warnt das BSI in einem Schreiben an das Gesundheitsministerium vor einem "neuralgischen Punkt für die gesamte nachfolgende Sicherheitskette." Sogenannte "alternative Versichertenidentitäten" auf dem Smartphone abseits der elektronischen Gesundheitskarte seien viel zu unsicher, um den Schutz medizinischer Behandlungsdaten zu gewährleisten, so das BSI. Kein Wunder, dass die notorischen Telematik-Kritiker von der Freien Ärzteschaft ein Moratorium für die gesamte telematische Infrastruktur fordern. Doch Tempo, Tempo, Tempo: Wer keinen Ehrgeiz hat, schafft auch kein Seepferdchen, sagt der, der Kalif werden will anstelle der Kalifin.

In dieser Woche wurde Julian Assange, Gründer von Wikileaks, in Großbritannien wegen der Missachtung von Kautionsauflagen zu 50 Wochen Haft verurteilt. Tags darauf erfolgte eine kurze Anhörung per Videoschaltung, in der er nur gefragt wurde, ob er einen recht dünn begründeten Auslieferungsantrag der USA anfechten will, was er bejahte. Nun sind für den 30. Mai und den 12. Juni zwei weitere Kurztermine geplant, in denen ebenfalls kurze Antworten ausreichen. Hat die USA weitere Klagepunkte? Hat Schweden ein Interesse, Assange in Schweden zu befragen? Erst danach wird die eigentliche Anhörung mit Assanges Anwälten stattfinden. Derweil führt Kristinn Hrafnsson die Geschäfte und berichtet von einer weiteren Gerichtsverhandlung, diesmal in Spanien, mit Ecuador in der Anklage: Das Land soll 104 Ordner Beweise zum fehlerhaften Verhalten von Assange gesammelt haben. Jemand soll versucht haben, das Material für drei Millionen Dollar an Wikileaks zu verkaufen. Doch Whistleblowing geht anders.

Die Europawahl steht vor der Tür, der Wahl-O-Mat ist scharf geschaltet. Die Politiker schalten in einen ganz besonderen Modus, der normalen Menschen schwer verständlich ist. Fridays for Future konnte vom FDP-Politiker Wolfgang Kubicki die volle Kraft seiner Logik erfahren, auch etwas, das man nicht in der Schule lernt: "Ich will den Schülerinnen und Schülern nur sagen: Weder der Staat noch meine Frau werden mir jemals verbieten, ein Steak zu essen!" Bei der CDU wird der alte Slogan Freiheit statt Sozialismus ausgegraben und bei der Partei ist ein professioneller Demotivationstrainer aktiv, der das Gegenstück zum Gedanken der Kollektivierung von BMW ausspricht: "Viele Menschen können sich in diesem kapitalistischen System völlig zu Recht nicht aufraffen, zur Arbeit zu gehen, weil alles sinnlos ist. Warum sollte man Lust darauf haben, in einer entfremdeten Arbeitswelt einen Bullshit-Job zu machen, der nur den Zweck hat, eine einem selbst unbekannte Person reicher zu machen?"

(Bild: DasGrundgesetz.de )

Jugendmund tut Wahrheit kund. Womit wir wieder beim Grundgesetz sind: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

(jk)