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Weniger Star Trek, mehr Discovery: Start der 3. Staffel

Fabian A. Scherschel
Weniger Star Trek, mehr Discovery: Start der 3. Staffel

Nein, das ist kein neuer Star-Wars-Film. Das ist die dritte Staffel von Star Trek Discovery.

(Bild: Netflix / CBS)

Die dritte Staffel von Star Trek Discovery lässt fast alle Anleihen an frühere Serien der Reihe in der Vergangenheit. Das ist gut, außer man ist Star-Trek-Fan.

Am heutigen Freitag läuft die dritte Staffel von Star Trek Discovery auf Netflix an. Bis zum 7. Januar erscheint dort jede Woche Freitag eine weitere der insgesamt 13 Folgen. Neben Sonequa Martin-Green als Michael Burnham sind auch Doug Jones (Saru), Anthony Rapp (Paul Stamets) und Mary Wiseman (Sylvia Tilly) wieder mit an Bord. Michelle Yeoh hat als Philippa Georgiou Gastauftritte. Neu in der Crew sind David Ajala (bekannt vor allem aus mehreren BBC-Serien) als Book, sowie Blu del Barrio (als Adira) und Ian Alexander (als Gray), die beiden ersten Star-Trek-Figuren (und -Schauspieler) mit diversem Geschlechter-Hintergrund. Del Barrio identifiziert sich laut der offiziellen Star-Trek-Webseite als erster Star-Trek-Schauspieler mit nichtbinärer Geschlechtsidentität, Alexander als erster Transgender-Schauspieler in einer Star-Trek-Serie.

Hinweis: Diese Besprechung der ersten Folge der dritten Staffel von Star Trek Discovery enthält Spoiler zum Inhalt der ersten beiden Staffeln. Über die Geschichte der besprochenen Folge erraten wir so wenig wie möglich.

Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass Star Trek Discovery die Geister scheidet. Und zwar ziemlich genau entlang einer scharfen Trennlinie: Entweder Sie mochten die ersten beiden Staffeln, dann haben Sie wahrscheinlich auch mit der neuen Staffel Spaß. Oder Sie haben das Gefühl, dass diese Serie nicht so viel mit dem Star Trek zu tun hat, das Sie kennen. Für die zweite Gruppe Zuschauer wird mit Staffel 3 alles erst einmal noch viel schlimmer.

Die erste Folge der neuen Staffel beginnt, wie die letzte Staffel endete: visuell eindrucksvoll und mit viel Action. Trotzdem kommt der eingefleischte Star-Trek-Fan früher oder später nicht darum herum zu fragen: "Was machen wir hier eigentlich?" Die erste Folge der neuen Staffel wirkt wie der Einstieg eines Star-Wars-Films. Pathetische Dialoge, bombastische Landschaften und Kostüme, die eher auf Tatooine als auf der Brücke eines Sternenflottenschiffs zu Hause zu sein scheinen. Klar, ähnliches gab es in der Geschichte des Franchises immer mal wieder. In ein oder zwe – von den meisten Fans eher als Flops angesehenen – Filmen der Kirk-Ära. Aber in einer TV-Serie mit dem Namenszusatz "Star Trek" ist das neu.

Star Trek Discovery hat außer dem Namen und ein paar bekannten Symbolen nichts mit dem Star Trek der vergangenen Jahrzehnte zu tun. Das sagen Autoren und Schauspieler der Serie in Interviews mittlerweile ganz offen. Mit dem Zeitsprung in die ferne Zukunft am Ende der zweiten Staffel hat die Serie sich nun offiziell von allen Vorbildern abgenabelt. Ähnlich der Filme aus der J.-J.-Abrams-Kontinuität müssen wir Discovery, so die Macher der Serie, nun in einem komplett neuen Universum angesiedelt sehen. Anleihen an vorangegangene Star-Trek-Serien seien mit der neuen Staffel "eine sehr entfernte Erinnerung", sagt Serien-Entwickler Alex Kurtzman.

Auf der einen Seite wird das der Serie guttun. Von Anfang an war zu sehen, dass die Macher zwischen Eigenem (Sporen-Antrieb, futuristischem Schiffs-Design, sexuell-progressiv-ausgerichteten Figuren) und Anleihen an Altbewährtem (Spiegel-Universum, die Enterprise unter Captain Pike, Spock) geradezu zerrieben wurden. Was wohl auch zu den horrenden Plot-Löchern vergangener Staffeln [1] führte und der Serie als Ganzes ein sehr zwiegespaltenen Charakter gab. Befreit von den Zwängen der Kontinuität kann sich Discovery nun vielleicht endlich zu etwas Eigenem, Einzigartigem entwickeln.

Da war Jonathan Frakes (der in späteren Folgen wieder Regie führt) bestimmt neidisch: Riker durfte in TNG zwar freizügige Shirts tragen, aber ganz oben ohne ist neu bei Star Trek.

Da war Jonathan Frakes (der in späteren Folgen wieder Regie führt) bestimmt neidisch: Riker durfte in TNG zwar freizügige Shirts tragen, aber ganz oben ohne ist neu bei Star Trek.

(Bild: Netflix / CBS)

Auf der anderen Seite ist fraglich, wer sich das angucken soll. Es scheint so, als ob die Anleihen aus vergangenen Serien nur deshalb Teil der Serie waren, weil Fans, die mit den alten Shows aufgewachsen sind, ins Boot (oder vielleicht besser: aufs Schiff) geholt werden sollen. Dass diese Taktik nur ein Lippenbekenntnis zur Idee von Star Trek war, haben die meisten Fans lange erkannt. Wer mit Kirk, Picard, Sisko und Janeway aufgewachsen ist, der hat neben Anson Mount als Captain Pike und vielleicht noch dem Burger-mampfenden Number One keine echten Sternenflottenoffiziere auf der Brücke der Discovery ausmachen können.

Die Turnschuhträger rund um Michael Burnham gaben sich zwar sichtlich Mühe, wirklich echt wirkte das aber alles nicht. Eine Weile konnten die schönen Effekte und viel Action davon ablenken, aber nun, da auch Pike, Spock und Number One Richtung eigene Serie unterwegs sind, muss auch der Letzte merken, dass bei dieser Serie das Label "Star Trek" eben genau das ist: nur ein Label. Da müssen sich die Macher der Serie schon die Frage gefallen lassen, warum sie nicht einfach von Anfang an was Eigenes gemacht haben. Warum muss hier "Star Trek" draufstehen? Um Zuschauer vor den Streaming-Kanal zu locken, die dann ohnehin enttäuscht sind, weil sie die Leidenschaft ihrer Jugend in diesem Projekt nicht wiedererkennen? Um sie dann langsam wütend zu machen, während die Discovery-Schreiber alles, was Star Trek mal ausgemacht hat, mit Füßen treten?

Ganz kurz glimmt fast mal ein bisschen "Star Trek" auf, wenigstens optisch.

Ganz kurz glimmt fast mal ein bisschen "Star Trek" auf, wenigstens optisch.

(Bild: Netflix / CBS)

Als wenn der Sporen-Antrieb aus der ersten Staffel und die Zeitkristall-Magie aus der zweiten nicht schon genug gewesen wären, die dritte Staffel knöpft sich nun auch die Föderation vor. Hört man Burnham und Book in der ersten Folge der neuen Staffel zu, könnte man meinen, die Föderation sei nicht etwa eine idealistisch angehauchte, aber dennoch sehr realpolitisch umgesetzte Staatsform der Zukunft, sondern eine mythische Religion aus vergangenen Tagen – vergleichbar mit dem Jedi-Orden oder dem Geheimbund der Sith. Da fällt mindestens dreimal der Begriff "true believer" (wahrhaft Glaubender), wenn von Menschen die Rede ist, die an die Ideale der freiheitlichen galaktischen Ordnung der Föderation glauben. Kann man machen. Ist dann halt aber… sub-optimal.

Ein eingefleischter Trekkie muss viel Schmerz gewöhnt sein – oder für Rezensionen bezahlt werden – um sich das anzugucken. Je mehr Staffeln Discovery produziert werden (die vierte ist bereits in Planung), desto besser sehen Serien wie Voyager oder Enterprise im Franchise-Gesamtvergleich aus.

Für Zuschauer, die einfach unterhalten werden wollen und bombastische Optik mit einer gehörigen Prise Action und pathetischen Reden mögen, ist die Serie wahrscheinlich geeignet. Wer die ersten beiden Staffel mochte, bekommt hier mehr vom Selben; ohne störende Anspielungen und Leute in Uniformen, die farblich nicht zum Rest der Serie passen.

Immerhin müssen sich hartgesottener Fans jetzt nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie zum Henker das alles mit den Ereignissen der Kirk-Ära zusammengebracht werden soll. Das führt in dieser Staffel vielleicht endlich auch zu einer Story, die logisch nachvollziehbar ist. Und vielleicht bringen uns die nichtbinären Schauspieler ja zusätzlich noch spannende Figuren mit echter Charakterentwicklung. Wie sagt doch Burnham am Ende der Folge sinngemäß: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

(fab [2])


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