Windenergie: Offshore-Branche akut gefährdet, Tennet warnt vor Verlusten

Industrie und Politik warnen vor dem Wegbrechen einer wesentlichen Stütze der Energiewende: Der Ausbau der Offshore-Windkraft hinkt allen Zeitplänen hinterher.

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Von
  • Ralf E. Krüger
  • dpa

Alarmsignale aus Deutschlands Norden: Die rund 10.000 Arbeitsplätze der Offshore-Windindustrie sind nach Ansicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil durch fehlende Planungssicherheit gefährdet. Der SPD-Politiker betonte im Gespräch mit dpa: "Die Branche ist in einer substanziellen Gefahr."

Seine Mahnung fällt zusammen mit einer Warnung des Netzbetreibers Tennet vor Milliardenverlusten durch den lahmenden Ausbau der Offshore-Anlagen. "Schon jetzt wird deutlich, dass die Gefahr einer Lücke zwischen der Errichtung der Netzanbindungssysteme und dem Zubau an Offshore-Windkapazität besteht", betonte Lex Hartman von der Tennet-Geschäftsführung.

In der Vergangenheit galt jedoch gerade die Netzanbindung als Schwachpunkt. Tennet war vorgehalten worden, wegen des hohen Investitionsbedarfs Schwierigkeiten zu haben, die Anbindung der Windparks vor der Küste sicherzustellen. Investoren hatten mehr Sicherheit über die Rahmenbedingung verlangt.

Der Tennet-Manager meinte nun mit Blick auf die im Auftrag des Unternehmens erstellte Studie: "Wir bauen bereits heute Anbindungskapazität praktisch auf Vorrat." In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung mahnte Hartman dringend eine bessere Koordinierung von Windpark- und Netzausbau an. Schon heute betreibe oder baue Tennet elf Netzsysteme in der Nordsee, die 6200 Megawatt Offshore-Strom an Land transportieren könnten. Zwei weitere Systeme mit 1800 Megawatt seien entsprechend den bisherigen Zielvorgaben der Bundesregierung ausgeschrieben.

Gleichzeitig sei laut der Studie mit 2900 Megawatt nur ein Bruchteil der geplanten Windkraft in der Nordsee verbindlich gesichert und finanziert. 2300 Megawatt davon würden aktuell gebaut. Bis 2023 würden in der Nordsee laut der Studie Windparks mit einer Leistung von gerade mal 3700 bis 5900 Megawatt errichtet werden.

Aus Sicht von Weil droht der Verlust einer industriellen Chance und eines notwendigen Bausteins der Energiewende. In mehrfacher Hinsicht sei es unerträglich, wenn gerade Deutschland Kompetenz in einer Zukunftsindustrie verliere: "Wir dürfen es nicht zulassen, dass es zu einem ökonomischen Fadenriss kommt." Obwohl der Netzausbau vorangehe, fänden sich zur Zeit keine Investoren im Offshore-Bereich.

Er hält in diesem Zusammenhang der Bundesregierung verwirrende Signale vor. Die beschlossene Strompreis-Bremse habe sich als schlimmes Eigentor erwiesen. "Es gibt eine mit Händen zu greifende Unsicherheit bei potenziellen Investoren. Da ist ja zum ersten Mal signalisiert worden: Wir sind im Zweifel auch bereit, in bestehende Rechte einzugreifen." Vor allem bei den Banken habe sich dieser Eindruck festgesetzt. Die Finanzierung von Windparks sei daher heute weitaus schwieriger als noch vor Monaten.

Er rief Berlin auf, zumindest kurzfristig die bestehenden Bedingungen der Offshore-Industrie bis mindestens 2016 festzuschreiben. Bei Investitionssummen von mehr als einer Milliarde Euro gelte es, auch lange Vorlaufzeiten zu berücksichtigen. Weil: "Wir müssen höllisch aufpassen, dass die Offshore-Industrie diese Delle übersteht und die Energiepolitik endlich wieder Tritt fasst."

Als Beispiel für die schwierige Lage der Branche gelten die Siag Nordseewerke in Emden, ein Offshore-Zulieferer. Der Stahlbauer DSD Steel Group (Saarlouis) hatte das insolvente Unternehmen im Februar übernommen und nur 240 der 750 Beschäftigten behalten. Am Donnerstag teilte die IG Metall in Emden mit, dass die in eine Transfergesellschaft gewechselten ehemaligen Siag-Mitarbeiter nun sechs statt der zunächst nur geplanten zwei bis vier Monate in der Gesellschaft bleiben können. Rund 120 Mitarbeiter hätten bereits neue Arbeitsplätze gefunden oder in Aussicht. (anw)