Wirrwarr um die Telekom-Bilanzzahlen

Die Wertberichtigungen in der Bilanz lassen den Vorstand der Deutschen Telekom bis heute nicht ruhen.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Die brisante Nachricht war im sechsten Absatz der Pressemitteilung versteckt – und sie lässt den Vorstand der Deutschen Telekom bis heute nicht ruhen: Um zwei Milliarden Euro oder knapp vier Milliarden Mark werde das Immobilienvermögen wegen der veränderten Verkaufsstrategie nach unten korrigiert, kündigte die Telekom am 21. Februar dieses Jahres an. Eine schlechte Nachricht für die Aktionäre. Der ohnehin gebeutelte Kurs der T-Aktie brach ein und Proteststürme prasselten auf den Vorstand nieder. Gut vier Monate später ist die Telekom jetzt noch schärfer ins Fadenkreuz der Justiz geraten.

Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelte zunächst wegen des Verdachts auf Kapitalanlagebetrug gegen ehemalige und jetzige Vorstände, einschließlich Konzernchef Ron Sommer. Der Vorstand habe von der angeblichen Fehlbewertung der Immobilien schon früher gewusst, kritisierten Anleger und stellten Strafanzeige. Einige forderten gar Sommers Rücktritt. Ein Ende der Untersuchungen ist derzeit nicht in Sicht. Während sich oberste Konzernlenker optimistisch zeigt und davon ausgeht, dass sich der Streit um die vermeintliche Fehlbewertung im Sande verläuft, gehen die Ermittler tiefer.

Die Staatsanwälte nehmen inzwischen auch das technische Anlagevermögen, sprich Netze und Vermittlungstechnik, unter die Lupe. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass auch diese Aktivposten in der Eröffnungsbilanz der Deutschen Telekom AG 1995 überbewertet wurden. Presseberichten zufolge sollen es 15 Milliarden bis 20 Milliarden Mark sein. Warum die Ermittlungen auf weitere Vermögensteile ausgeweitet wurden, kann Konzernsprecher Ulrich Lissek nicht beantworten: "Wir haben keine Akteneinsicht bekommen." Er erneuert aber die bekannte Position des Unternehmens, die Bewertung sei stets gewissenhaft vorgenommen worden. Das testierten renommierte Wirtschaftsprüfer.

Ohne die Verhältnisse bei der Telekom genau zu kennen, hat der Geschäftsführer des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Düsseldorf, Gerhard Gross, eine Erklärung für die Bewertungsdifferenzen parat: "Bei Unternehmen mit viel technischem Fortschritt gibt es immer hohe Berichtigungsnotwendigkeiten", sagt er. Und dazu gehöre eben die Telekom. Ihm sei jedoch nicht bekannt, dass Bewertungsspielräume missbräuchlich ausgenutzt worden seien. Bewertungen änderten sich mit der Zeit, betont Gross. So werde man heute mit der Verbreitung der digitalen Telefonie die Analogtechnik ganz anders bewerten als vor fünf Jahren. Im Jahr 2001 zu behaupten, dass die Analogtechnik damals schon nichts Wert gewesen sei, diesen Schluss dürfe man nicht ziehen.

Frank Wellendorf, Telekom-Analyst der WestLB Panmure, sieht jedenfalls keine materiellen Auswirkungen einer möglicher Überbewertung des technischen Anlagevermögens. "Erstens sind dieses Dinge längst abgeschrieben und zweitens hätte der Markt nach sechs Jahren eine solche Überbewertung längst bemerkt". Die amtierenden Konzernlenker können die Prüfung gelassen sehen: Die meisten der damals Verantwortlichen sind heute nicht mehr in Amt und Würden. Denn die Untersuchungen konzentrieren sich auf die erste Hälfte der 90er Jahre, also noch vor der Geburtsstunde der Telekom am 1. Januar 1995. Sommer übernahm erst im Mai 1995 den Posten des Vorstandsvorsitzenden. (Peter Lessmann, dpa) / (jk)