c't 3003: Flipper Zero - das beste Hacking-Gadget 2022?

Der rund 150 Euro teure Flipper Zero emuliert Fernbedienungen, Zugangskarten und diverse Drahtlos-Protokolle. Was macht das Teil so besonders?

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Der Flipper Zero sieht aus wie ein Kinderspielzeug, kann aber erstaunlich viel. c't 3003 hat sich das ambitionierte Projekt angeschaut.


Transkript des Videos:

In diesem Video stelle ich euch ein Hacking-Gadget vor, auf das ich mich so sehr freue, wie schon lange nicht mehr auf irgendeine technische Gerätschaft. Es geht um den Flipper Zero, ein elektronisches Spielzeug-Haustier, Universal-Werkzeug, Lern-Gerät, mit dem wirklich ganz, ganz viel machen können soll; unter anderem Fernbedienungen, Zugangskarten und diverse Drahtlos-Protokolle emulieren. Hardware-Hacking geht auch. Und das Ganze sieht aus wie ein freundliches Spielzeug mit einem lustigen animierten Delfin. Ihr habt es vielleicht schon rausgehört: Ich habe den Flipper Zero noch nicht in der Hand gehabt, sondern ihn bislang nur bei der Crowdfinancing-Plattform Kickstarter unterstützt.

Bevor ihr jetzt denkt, boah, machen die hier Werbung für das Ding oder was: Nein, der Flipper Zero kann sich auf alle Fälle noch als absolute Katastrophe herausstellen, genaues wissen wir aber erst nach einem Test. Trotzdem kann ich schon jetzt sagen: Flipper Zero ist für mich ein absolutes Positiv-Beispiel für Underground-Hardware; nicht nur, weil man merkt, wie viel Liebe da reingeflossen ist. Sondern auch, weil der Flipper Zero ganz viel anders macht als konventionelle Produkte. Was genau und was der Flipper Zero so alles kann, das erkläre ich in diesem Video.

Echt jetzt mal, sieht das Teil nicht herzallerliebst aus? Ich finde: definitiv. Aber mindestens genauso toll ist das, was drinsteckt: Nämlich etliche Tools, für die man bislang ganze viele einzelne Geräte brauchte – zum Beispiel kann man den Flipper-Zero als U2F-USB-Stick benutzen, wenn man sich zum Beispiel mit einem zweiten Faktor bei Google, Twitter oder sonst wo anmelden will. Die Methode ist sicherer als zum Beispiel der Empfang des zweiten Faktors per SMS.

Die aber wohl zentralste Funktion des lustigen Delfin-Dings: Es beherrscht sehr viele populäre Kontaktlos- und Drahtlos-Protokolle; der eingebaute Transceiver CC1101 von Texas Instruments ist weitverbreitet und deckt Frequenzen zwischen 300 und 1 GHz ab. Etliche RFID- und NFC-Standards werden unterstützt. Ok, jetzt mal ein bisschen weniger technisch: Wenn ihr beispielsweise mehrere Zugangs-Karten, Fernbedienungen oder Chip-Schlüsselanhänger mit euch herumschleppt, um Haustüren, Garagentore oder ähnliches zu öffnen – es könnte sein, dass die alle vom Flipper ersetzbar sind. Sogar Schranken kann man damit laut diesem Promo-Video hochgehen lassen! Wow.

Wenn ihr allerdings jetzt so Hacker-Fantasien habt, dass ihr einfach einen Knopf drückt und beliebige Türen aufgehen, Ampeln auf Grün springen, Raketentriebwerke starten: Das geht natürlich nicht, sondern ihr könnt zwar mit dem Flipper Zero vorhandene Schlüssel einlesen und ausspielen – aber ihr müsst schon erst mal Zugriff auf den Schlüssel haben.

Außerdem hat der Flipper Zero einen Infrarot-Transceiver eingebaut, das Teil kann also als Universal-Fernbedienung arbeiten, eine Bibliothek mit etlichen Geräten ist eingebaut, nicht nur für Fernseher, sondern auch für etliche andere Sachen wie Klimaanlagen – falls euch im Restaurant mal zu kalt ist. Nee, jetzt echt, alleine die IR-Funktion finde ich superpraktisch, ich habe nämlich mehrere Geräte, die man wirklich nur per Infrarot-Fernbedienung nutzen kann, die also keinerlei physische Knöpfe mehr haben. Wenn die Fernbedienung mal kaputtgehen sollte, habe ich dank Flipper also ein Backup.

Und zu guter Letzt hat das Teil auch noch 12-Hardware-Pins, mit dem man Hardware debuggen kann oder Firmware flashen kann. Hier in diesem Flipper-Zero-Werbevideo wird zum Beispiel gezeigt, wie man bei einem alten Thinkpad-Notebook das Boot-Bild verändert. Ziemlich cool, oder?

Und ich bin ehrlich: Ich habe so was noch nie gemacht und keine Ahnung von solchen Flash-Chips. Aber ich finde es sehr reizvoll, mithilfe des Flippers mehr über Flash-Speicher oder RFID-Protokolle oder NFC-Tags zu lernen – und genau das macht für mich den Reiz dieses Produkts aus: Dass man sich mit Dingen beschäftigt, vor denen man bislang Respekt hatte, weil sie so kompliziert wirkten – und man so die Technik-Welt um einen herum etwas besser versteht. Natürlich wird es Leute geben, die das überhaupt nicht gut finden, weil sie in ihren Tech-Elfenbeintürmen mit ihrem Expertenwissen weiter ungestört herumfrickeln wollen. Aber ich finde den Flipper-Ansatz wirklich super; vor allem, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass sich sehr schnell eine Community bilden wird, die Skripte und Tools für den Flipper offen zur Verfügung stellt; das heißt, auch wenn ich absolut nicht weiß, wie man einen SPI-Flash-Baustein programmiert, kann ich mir einfach ein passendes Skript herunterladen und das machen. Mir ist klar, dass es dafür das Schimpfwort „Skript Kiddie“ gibt – aber ganz ehrlich, wir haben alle als Skript-Kiddies angefangen und sind dann vielleicht, je mehr wir gelernt haben, darüber hinausgewachsen.

Apropos Lernen: Auf dem Flipper-Kartons steht „electronic pet toy multi-tool educational device”, also so ungefähr elektronisches Spielzeug-Haustier-Universal-Werkzeug-Lern-Gerät und das trifft es meiner Meinung nach ganz gut. Ich habe ja am Anfang schon gesagt, dass ich die freundliche Ausstrahlung des Geräts faszinierend finde, weil ja bislang Tech-Werkzeug oft versucht hat, möglichst „professionell“ und vielleicht auch bewusst ein bisschen kompliziert auszusehen – und dagegen will ich auch gar nix sagen, ich komme mir auch cool vor, wenn ich souverän kompliziert aussehende Sachen bediene.

Der Flipper-Zero-Ansatz ist anders: Durch die Spielzeug-Aura könnte er die Hemmschwelle senken, sich mit vermeintlich komplizierten Dingen zu beschäftigen. Und man muss wirklich sagen: Den Spielzeug-Ansatz nehmen sie wirklich ernst bei Flipper: So gehörte zu dem kleinen Entwicklungs-Team von Anfang an eine Art-Direktorin, die den Pixel-Delfin auf dem Display gestaltet. Und wie super ist das bitte: So sieht das aus, wenn der Flipper Zero über Funk Daten sendet, wenn er nachdenkt, auf irgendwas wartet, chillt oder sich freut. Da kriegt man doch direkt gute Laune, oder?

Achja: Das einzige echte Werbevideo zum Flipper Zero im Flipper-Youtube-Channel gibt es ausschließlich in japanischer Sprache mit japanischen Untertiteln. Warum? Ist cool; hatten die Flipper-Leute Lust drauf – und man checkt schon irgendwie, worum es geht, auch wenn man kein Japanisch kann.

Aber jetzt noch die wichtige Frage: Wo kann man das Zauberteil kaufen und wie teuer ist das? Ich habe das Ding ja über Kickstarter gebackt und inklusive Versand 133 Euro bezahlt. Die Kickstarter-Kampagne ist aber längst vorbei, ab jetzt muss man es über den Flipper-Webshop kaufen, und der Preis liegt inzwischen bei ungefähr 150 Euro. Allerdings sind erst mal alle Kontingente verkauft, man kann zurzeit nicht vorbestellen, sondern sich lediglich vom Webshop informieren lassen, wenn es neue Geräte gibt. Ich gehe davon aus, dass das ab April der Fall sein wird – bis dahin sollen nämlich alle Kickstarter-Backer beliefert worden sein.

So, aber jetzt nochmal ein paar Worte zu Kickstarter. Der Flipper Zero hat am 30. Juli 2020 auf Kickstarter das Licht der Welt erblickt, zumindest ist da die Kampagne gestartet. 60.000 US-Dollar wollten die Flipper-Macherinnnen und Macher, die übrigens aus dem Dunstkreis des Moskauer Hackerspaces Neuron kommen, über Kickstarter einsammeln. Nach unglaublichen acht Minuten war die Summe da. Letztendlich sind bei der Finanzierungs-Kampagne über 4,8 Milionen US-Dollar zusammengekommen. Kickstarter und andere Crowdfinancing-Plattformen wie Indiegogo funktionieren so, dass man dort Projekte vorab finanziert und dafür eine gewisse Gegenleistung bekommt – meistens ist die Gegenleistung das Produkt selbst. Man muss aber ganz klar sagen, dass es sich hier nicht um eine einfache „Vorbestellung“ handelt – es besteht nämlich immer das Risiko, dass das Projekt nicht so klappt wie geplant. Es gab schon etliche heftige Fails bei Kickstarter und Indiegogo, zum Beispiel die ultradünne Armbanduhr CST-01, die Smartphone-Laptop-Kombination Dragonfly Futurefön oder der Laser-Rasierer Skarp – alle drei Dinger haben sich nie materialisiert und das eingesammelte Geld wurde auch nicht zurückgezahlt.

Ich lehne mich hier jetzt mal aus dem Fenster und sage: Bei Flipper Zero wird das nicht passieren, auch wenn der versprochene Liefertermin bereits mehrfach gerissen wurde. Denn: Die Flipper-Macherinnnen und Macher sind für mich ein absolutes Positivbeispiel, was offene Kommunikation angeht. Auf Kickstarter und der eigenen Website gab es immer super detaillierte Infos, was gerade wo in der Produktion passiert und was schiefgelaufen ist. Und das ist obendrein auch noch super interessant. Wenn man sich also dafür interessiert, wie Hardware-Fertigung in China eigentlich funktioniert und was da alles für Probleme lauern: Im Flipper-Blog gibt’s viel lehrreichen Lesestoff und auch Videos, zum Beispiel wie man ein Bastelboard designt, das man an den Flipper anschließen kann. Die Massenproduktion ist inzwischen jedenfalls gestartet – also laut Flipper – und es werden wohl die ersten Geräte verschickt. Da zuerst die USA dran sind, kriege ich als europäischer Supporter meinen Flipper Zero vermutlich erst im März. Doof, dass das so lange dauert, aber ich kann irgendwie damit leben, weil so transparent mit den Problemen umgegangen wird. Ich freu mich auf jeden Fall doll auf das Teil, und plane natürlich ein ausführliches Video dazu – will mir dafür aber gerne Zeit nehmen; also habt ein bisschen Geduld. Ich bin natürlich sehr gespannt, ob das Ding am Ende den von mir hier selbst erzeugten Hype rechtfertigt – oder ob am Ende doch ein bisschen heiße Luft dabei ist. Wie gesagt: Ich glaub dran und denke, dass der Flipper Zero wirklich zum Hardware-Freak-Multitool mit einer großen Community werden könnte. Aber ich kann mich natürlich auch täuschen – bald wissen wir mehr. Tschüss!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Johannes Börnsen und Şahin Erengil veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)