heise meets … Vor- und Nachteile der Vier-Tage-Woche

Das Softwareunternehmen awork hat die Vier-Tage-Woche getestet. Was man daraus gelernt hat – und warum das Unternehmen zur Fünf-Tage-Woche zurückgekehrt ist.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Sebastian Gerstl
Inhaltsverzeichnis

Die 4-Tage-Woche ist eines der am heißesten diskutierten Konzepte der modernen Arbeitswelt. Microsoft hatte bereits 2019 in Japan die viertägige Arbeitswoche getestet und gemeldet, dass die Angestellten in der Folge zufriedener und produktiver waren. Eine Anfang 2023 kam eine Studie in Großbritannien zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. In Island besitzt die Mehrzahl aller Arbeitenden bereits ein Recht auf eine 4-Tage-Woche. In Deutschland soll nun ab Februar 2024 eine Studie mit mehr als 50 teilnehmenden Unternehmen untersuchen, ob diese Ergebnisse auch hierzulande zutreffen.

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Tatsächlich setzen auch in Deutschland bereits einige Firmen auf die 4-Tage-Woche. Andere haben das Konzept versuchsweise eingeführt, nur um wieder zu einer regulären fünftägigen Wochenarbeitsweise zurückzukehren. Dazu zählt auch das Hamburger Softwareunternehmen awork, ein Team mit etwa 40 Mitarbeitern. Dort hat man die beiden gängigsten Herangehensweise an die 4-Tage-Woche getestet: zum einen den Ansatz, die üblichen vollen Stunden einer Arbeitswoche in vier statt in fünf Tagen zu arbeiten. Und zum anderen die sogenannte 100/80/100-Methode: 100 Prozent Bezahlung bei 80 Prozent Zeit, aber mit 100 Prozent der zu erzielenden Performance und Ziele.

Tobias Hagenau (awork)

Bei awork hatten sich beide Ansätze nach einiger Zeit als nicht zufriedenstellend herausgestellt. In der ersten Variante würden etwa bei einer 40-Stunden-Woche vier Tage zu je zehn Arbeitsstunden zur Norm. Das wird nicht nur arbeitsrechtlich zur Herausforderung, schließlich gibt ein Zehn-Stunden-Arbeitstag kaum Spielraum für Überstunden. "Zehn Stunden sich am Stück zu konzentrieren und zehn Stunden wirklich fokussiert durchzuarbeiten, ist enorm anstrengend", sagt Tobias Hagenau, Mitgründer und CEO von awork. "Gerade noch dazu, weil man bei zehn Stunden dann schon wirklich genau darauf achtet, dass es dann nicht noch länger wird". Die Konsequenz: Man ist unter der Woche viel erschöpfter, als dass es der zusätzliche freie Tag ausgleichen könnte.

Bei awork habe man sich als Team einhellig dazu entschlossen, dass das nicht der Standardmodus sein kann. "Wir sind ein recht junges Unternehmen, wir wachsen unglaublich schnell, wir haben sehr intensive Wochen und in Hitzephasen arbeiten Leute auch so mal mehr als ihre acht Stunden, logischerweise", sagt Hagenau. "Aber das so zur Regel zu machen, dass man einfach davon ausgeht, zehn Stunden am Tag als den normalen Standard zu arbeiten, ist für uns einfach keine angenehme Experience gewesen."

Das 100/80/100-Modell sei da schon das viel interessantere Modell, über das man laut Hagenau auch sehr viel diskutieren könne. Ihn stört aber vor allem in der öffentlichen und medialen Debatte eine Sache am meisten: "Mich wundert immer, dass einhellig behauptet wird, es sei eigentlich kein Problem, in acht Stunden Zeit genauso viel Output zu produzieren wie in zehn Stunden", meint Hagenau im Podcast mit heise meets. Dabei halte er dies, zumindest theoretisch gesehen, durchaus für möglich. Aber um das auch umzusetzen, müsse man erst einmal grundsätzlich die gesamte bestehende Arbeitsorganisation und Ablaufprozesse betrachten – und möglicherweise komplett umstellen.

"Die größte Gefahr ist aus meiner Sicht, dass Leute in ihren Arbeitsabläufen und in ihren Prozessen überhaupt nichts ändern und einfach die Leerlaufzeiten zwischendrin streichen" – die Denkpausen, den Austausch mit Kollegen, den sozialen Kontext mit dem Arbeitsplatz selbst. Der soziale Aspekt würden meistens als Erstes gestrichen; dabei hätte man bei awork in eigenen Studien gesehen, dass es gerade dieser Faktor ist, der am meisten zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz beiträgt – und damit auch maßgeblichen Einfluss auf die Produktivität hat. "Und was bringt uns vier Tage Arbeit, bei denen wir uns endgültig miserabel fühlen, als Vorteil gegenüber fünf Tagen Arbeit, bei denen wir vielleicht ein sinnvolles soziales Umfeld bei der Arbeit haben können".

Auch für Hagenau ist eine 4-Tage-Woche durchaus legitim – die richtige Planung vorausgesetzt. "Zusätzliche Produktivität, das klingt immer so nach, wir müssen alle Leute mehr peitschen", sagt der awork-Mitgründer, dessen Unternehmen auch die gleichnamige Work-Management-Software anbietet. Sicher lassen sich in so manchen Branchen und Unternehmen viele Leerlaufzeiten, unnötige Meetings oder ungleichmäßig verteilte Belastungen effizienter lösen – und somit auch die gleiche Produktivität mit weniger Zeit erreichen. Aber, so meint er, es muss genauso legitim sein zu argumentieren, dass man diese gewonnene Effizienz doch auch darin investieren könne, in fünf Tagen mehr erreichen zu können als bisher.

Gleichzeitig will er aber auch das Argument mancher Vier-Tage-Wochen-Gegner nicht stehen lassen, dass sich eine Steigerung der Arbeitsleistung nicht sinnvoll messen lasse. "Die Performance nicht messen zu können, das ist eine faule Management-Ausrede", meint Hagenau. Schließlich gebe es in praktisch jedem Unternehmen Zielerreichungs- und Jahresgespräche mit Vorgesetzten, die letztlich genau diesem Zweck dienen. Auch hier komme es letztendlich immer auf das konkrete Ziel an, das man erreichen möchte – und nicht blinden Aktionismus zum Selbstzweck.

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Eine weitere kritische Frage, reißt Hagenau im heise meets Podcast mit an, findet im Kontext mit der Vier-Tage-Woche meist viel zu wenig Beachtung: der in Deutschland vorherrschende Fachkräftemangel. Der Gedanke, dass durch den Wegfall eines Arbeitstages in einem Unternehmen 20 Prozent der Arbeitskapazität fehlen würden, ist in vielen Unternehmen eine Horrorvorstellung. Gerade, weil es an vielen Stellen eben bereits an nötigen Arbeitskräften mangelt. Andere sehen in der Vier-Tage-Woche hingegen eine Chance, durch das Versprechen an mehr freien Tagen besser gut ausgebildete Mitarbeiter anlocken zu können.

"Ich kann Unternehmen und Teams sehr verstehen, die sagen, wir können es uns leisten, in einen Tag mehr frei zu investieren, und alle Mitarbeitenden, die in diesem Modus arbeiten möchten, kommen zu uns", sagt Hagenau. "Ich finde, das ist sehr legitim und das ist absolut in Ordnung, das so zu machen." In die andere Richtung gibt es genug Unternehmen, die bereits mit einer Fünf-Tage-Woche trotz aller Produktivitätshacks gut ausgelastet sind und immer noch dringend nach zusätzlichen qualifizierten Arbeitskräften Ausschau halten. "Wir sind beispielsweise ein total schnell wachsendes Unternehmen, wenn wir uns die Leute backen könnten, würden wir es tun", sagt Hagenau. "Es gibt so viel zu tun, dass wir in Fünf-Tage-Wochen, egal mit welchen Produktivitätshacks wir es angehen, kaum fertig werden mit den Sachen, die wir vorhaben. Bei uns kann man richtig was reißen, aber es erfordert eben auch, fünf Tage zu arbeiten. Dann ist das, glaube ich, auch legitim."

(bme)