heise meets … Zurück zur Innovation – wie sich ein Unternehmen neu erfand

Wie lassen sich Silicon-Valley-Innovationsgeist, asiatischer Flow und europäische Ingenieurskunst kombinieren? Neuer Innovationsgeist durch ein Projekt.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Elmar Salmutter

Neue Wege beschreiten, schnell zu neuen Innovationen zu finden, den etablierten Prozessen wieder eine Aufbruchsstimmung und "Startup-Mentalität" verpassen – das sind Wünsche oder gar Forderungen, die in vielen Unternehmen zu hören sind. Aber oft scheint es gerade hierzulande von den Rahmenbedingungen nicht zu passen: Kritiker mahnen an, dass angesichts einer Gründungshochburg wie dem Silicon Valley oder einer technologischen Geschwindigkeit, wie sie oft aus China gemeldet wird, der Standort Europa auf der Strecke bleibt und der Entwicklung hinterherhinkt.

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Ähnliche Gedanken plagten auch Marco Schmid bereits 2015. Der gelernte Ingenieur ist Geschäftsführer der Firma Schmid Elektronik, einem etwa 50 Jahre alten, familiengeführten KMU in der Systementwicklung aus dem Schweizer Münchwilen. Im Gespräch mit "heise meets … der Entscheider-Talk" schildert er, wie ihm vor acht Jahren immer stärker das Gefühl beschlich, dass Unternehmen in Mitteleuropa im Vergleich zum Rest der Welt "mit angezogener Handbremse" fahren.

Marco Schmid

Er vermisste den flüssigen, leichten Umgang, den er mit asiatischen Geschäftspartnern erlebte, und den Innovationsreichtum, wie er regelmäßig aus dem amerikanischen Silicon Valley zu hören ist. Und er stellte sich die Frage, wie es möglich sei, diese mit den typischen Schweizer oder deutschen Ingenieurstugenden zu verbinden. Wie bringt man einem in seiner Branche etablierten Unternehmen mit 50 Jahren Tradition wieder neuen Mut zum Risiko bei – und auch dazu, Scheitern anzunehmen?

In seinem Fall war es eine Zufallsbegegnung, die ihn unverhofft mit diesen Fragen konfrontierte, und die ihn dazu bringen sollte, seine Herangehensweise an neue Projekte und Organisation grundlegend zu überdenken: Ein großer Kunde, "einer der Energieriesen", wollte, dass seine Firma für ein Öko-Rennen für energieeffiziente Rennfahrzeuge – "die Rekordhalter schaffen die Strecke von London nach Rom und zurück mit nur einem Liter Treibstoff", erzählt Schmid – ein Live-Telemetrie-System entwickelt. Eine ungeheure Herausforderung, nicht nur wegen der ungewohnten Umgebung und der Größe des Kunden, sondern auch wegen der Zeitspanne: Das System sollte bis zum nächsten Rennen in 8 Wochen funktionsfähig in Manila bereitstehen. "Die Neugier war natürlich sofort geweckt – der Nerd in uns kann hier nur zustimmen", sagt Schmid. "Aber 8 Wochen – das war eine Mission Impossible".

Das Umfeld dieses Wettbewerbs und der Ablauf auf der Rennstrecke, umgeben von einer ihm bis dahin nicht bekannten Community, mit einer klaren Vision und einem klaren Ziel, ließen in ihm und seinem Team "zum ersten Mal wieder so ein Startup-Gefühl" aufkommen. Es war aber auch eine ganz neue Form von Komplexität, mit einem Risiko, wo gefühlt die ganze Welt sofort zu sehen bekommen, wenn man einen Fehler macht. Die Rennstrecke hat den gewohnten Schweizer Ingenieurs-Alltag gehörig durcheinander geworfen – aber Schmid und seinem Team auch wieder eine neue Perspektive verschafft, mit einem neu gewonnen Blick aufs operative Tagesgeschäft.

Das galt auch für die Strukturen im eigenen Unternehmen: Plötzlich erkannte man Prozesse, die verstaubten oder Silos, die sich gebildet und verfestigt hatten. "Wir haben dann wirklich heilige Kühe geschlachtet und alte Zöpfe abgeschnitten", erinnert sich Schmid. Die Unternehmensprozesse wurden gewissermaßen an den Takt und Ablauf einer Rennfahr-Saison angepasst – inklusive Reviews und regelmäßigen Neuaufstellungen. Gerade zur rechten Zeit: Als dann die Corona-Pandemie eintraf und viele Unternehmen plötzlich Notfallpläne auffahren mussten, war Schmid Elektronik bereits flexibel eingestellt und konnte sich schnell an die neue Situation anpassen.

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Auch wenn die Rennstrecke nicht für jedes Unternehmen das Vorbild sein mag, rät Marco Schmid allen Entscheidern, die sich mehr Innovationsgeist und Spirit wünschen "einfach mal etwas Verrücktes" zu wagen. Ein frischer Blickwinkel ist nötig, um zu erkennen, wo genau die verknöcherten Strukturen ein Problem darstellen und Neuerungen benötigt werden. Gleichzeitig empfiehlt er, Strategien zu entwickeln, um schnell und günstig neue Produkte oder Ideen entstehen zu lassen, mit denen man etwas ausprobieren kann – und die einem dann von den Ressourcen auch nicht wehtun, wenn sie mal nicht aufgehen sollten.

Der Unternehmer und Ingenieur teilt sein Wissen und seine Erfahrungen gerne: Auf der Unternehmenswebseite schmid-elektronik.ch stellt er unter Open-Source-Lizenz frei zugänglich Whitepaper zur Verfügung, wie man beispielsweise schnell zu einem so einem "Minimum Viable Product" gelangt oder wie man mit dem richtigen Wissensmanagement neues Potenzial entfalten kann.

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(bme)