heise online-Chat: Legale Musikangebote im Netz

Noch ist für die Musikindustrie das Internet der universelle Buhmann. Doch es gibt die ersten Versuche, den Musik-Download legal anzubieten. Wir diskutieren am Freitag in unserem Chat die Zukunft kommerzieller Musikangebote im Netz.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 78 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Michael Wilde

Bisher konnten die Manager der Musikindustrie dem Internet wenig Positives abgewinnen. Für sie ist es vielfach nur ein Netz von Anarchisten, die das Wirtschaftsgut Musik hemmungslos stehlen. Aber auch Teufelszeug kann nützlich sein, sofern man ihm die passende Funktion zuweist. Als Sündenbock ist das Umfeld, in dem dubiose Hinterhofschrauber schneller zu Börsensuperstars werden als mancher Künstler seine neue CD aufnimmt, allemal geeignet. Vor allem, wenn die frisch gebackenen Milliardäre schneller von der Bildfläche verschwinden als die CDs aus den Regalen. Letztere bleiben allerdings in letzter Zeit etwas lange liegen. Zehn Prozent Umsatzeinbruch im vergangenen Jahr suchten nach einer Erklärung.

Doch die war inklusive Beleg schnell gefunden: Die GfK-Studie gilt in der Branche als der Beweis, dass "Musikkopieren in Deutschland existenzbedrohende Ausmaße für die Musikwirtschaft angenommen hat". Kein selbstkritisches Hinterfragen der eigenen Leistungen beziehungsweise Versäumnisse. Gab es nicht etwa Hinweise darauf, dass die internen Strukturen schon ziemlich verkrustet sind? Wie viele Manager sind motiviert, neue Herausforderungen anzunehmen, obwohl in den letzten Jahrzehnten alles in scheinbar bewährten Bahnen abgelaufen ist? Vieles wurde ignoriert und gar nicht erst als offizielles Problem zugelassen – beispielsweise dass Formatradios das Interesse an neuer Musik vollständig erlahmen lassen oder dass bestimmte Zielgruppen entweder gar nicht existieren oder vollkommen falsch bedient werden. Warum sollte ein über 30-Jähriger etwas anderes als Oldies, Schlager oder Volksmusik hören? Warum sollte es falsch sein, auf Retortenprodukte mit geringer Halbwertszeit zu setzen, statt Stars aufzubauen?

Kaum konnte man sich mit der neuen Funktion des Internet als universellen Buhmann anfreunden, wagen es einige Labels, das Anarcho-Netz als Vertriebsweg per direktem Download zu nutzen. Die ersten Versuche, den Kunden dort zu bedienen, wo er es sich wünscht, werden von vielen Seiten kritisch beäugt. Die Mitbewerber halten es zum Teil für einen strategisch falschen Schritt. Die Surfer wollen noch nicht so recht zugreifen und kritisieren sowohl die Preisstruktur als auch den Umfang des Angebots.

So startete vor wenigen Wochen das deutsche Musikportal popfile.de mit 5000 Stücken, die einzeln im proprietären MP3-Format mit 128 kBit/s zum Download bereitstehen. Jeder Song aus dem Pop-Angebot von Universal Deutschland (beispielweise No Angels) kostet jeweils 99 Cent. Die Dateien lassen sich auf CD brennen. Allein an der Anzahl der Dateien gemessen bringt das Angebot kaum mehr ins Netz als mancher LP- oder CD-Liebhaber völlig legal in seiner Sammlung hat. Universal plant, in Zukunft eine ganze Reihe solcher Angebote zu starten, die sich jeweils auf eine Musikrichtung konzentrieren. Damit wäre zwar eine größere Auswahl sichergestellt, doch besonders übersichtlich dürften sich die vielen kleinen Websites nicht gerade darstellen, wenn man bedenkt, dass jeweils nur die Interpreten eines Genres und eines bestimmten Labels auf einer Website vertreten sind.

Von den Musiktauschbörsen wissen die User, dass es technisch kein Problem ist, größere Mengen von Musikdateien anzubieten. Warum sollten nicht alle Künstler einer Musikgattung auf einem Server vertreten sein – oder gar alle Musiker überhaupt? Natürlich wissen sie auch, dass es technisch möglich ist, alles kostenlos anzubieten. Viele Musikliebhaber sehen es aber nicht als gesellschaftlich erstrebenswert an, Musiker und Industrie ihrer Existenz zu berauben und sind bereit, einen fairen Preis zu zahlen. Doch was ist der fairer Preis für den Download eines Hits? 99 Cent wie bei popfile oder doch eher 25 Cent, so es wie die amerikanische Musikerin Janis Ian für ein zeitlich befristetes Experiment vorschlägt?

Ob die Kunden Angebote annehmen, bei dem jedes Stück einzeln in Rechnung gestellt wird oder ob sie auch in Deutschland auf Abomodelle warten, wie sie in den USA bereits bestehen, ist noch nicht geklärt. Wir möchten in unserem Chat am Freitag der Frage nachgehen, wie legale Musikangebote gestaltet sein müssen, damit die User diese annehmen. Unter welchen Umständen würden Sie für Musik im Internet zahlen? Wie viel wäre Ihnen der Download einer einzelnen Musikdatei wert?

Einem Teil der Branche selbst scheint an einer solchen Diskussion wenig gelegen zu sein. Auf unsere Anfragen zu einer Teilnahme an unserem Chat bekamen wir teils sehr barsche Absagen, und einige Zusagen wurden später sogar wieder zurückgezogen. Selbst popfile.de schaffte es nicht, sich eine Stunde Zeit zu nehmen, um mit den potenziellen Kunden zu diskutieren. Ob die Branche nur desorganisiert oder tatsächlich desinteressiert ist, war bei den Vorbereitungen abschließend nicht zu klären.

Dennoch haben wir zwei kompetente Gäste gefunden, die keine Berührungsängste mit den Internet-Usern kennen. Dr. Hartmut Spiesecke, der Sprecher des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft wird die Musikindustrie repräsentieren. Der Jazzmusiker Thomas Stabenow, der auf eigenem Label drei LPs und 23 CDs herausgebracht hat, kennt das Verhältnis zwischen Musikern und Industrie. Sven Hansen beschäftigt sich bei c't unter anderem mit kommerziellen Musikangeboten im Netz und hat diese in c't 16/02 näher vorgestellt.

Der Chat findet am Freitag, den 13.9., zwischen 15 und 16 Uhr statt. Der Chat-Raum ist wie gewohnt bereits eine Stunde vor dem offiziellen Start geöffnet. Zu dieser Zeit blenden wir Links auf der [ Homepage von heise online] und den Chat-Seiten ein, die direkt zur Veranstaltung führen. (mw)