Anti-Islam-Film von Geert Wilders schreckt Niederlande

Der islamophobe und rechtspopulistische holländische Politiker erregt seit geraumer Zeit Aufmerksamkeit mit einem angekündigten Kurzfilm, der den Islam als faschistisch entlarven soll. Nun ist der Film trotz Website-Sperrung durch den Provider online.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Thomas P. Spieker
  • Jürgen Kuri
  • dpa

Kritiker bezweifelten bereits, dass Geert Wilders überhaupt einen "Film über den Koran", wie er es nannte, gedreht hat. Doch der niederländische Politiker mit der blond gefärbten Mähne, sonst eher ein Mann der großen Worte, ließ der Ankündigung wirklich Taten folgen. Seit Donnerstagabend ist sein 15 Minuten dauernder Film im Internet zu sehen – auch wenn der Internet-Provider die eigentliche Website für den Film bereits vergangenes Wochenende gesperrt hatte.

Für Wilders-Kenner bieten seine nunmehr mit Bildern untermauerten Warnungen vor dem Islam keine Überraschung. Denn der extreme Islam-Gegner und Populist Wilders, der die großen Auftritte und die damit verbundene Aufmerksamkeit schätzt, will schon lange provozieren und den Koran sowie die weitere Einwanderung von Muslimen verbieten. Der Islam gilt ihm als faschistische Ideologie; mit seinem Film will er die "letzte Warnung" vor dem Islam aussprechen und scheut dabei auch nicht davor zurück, Schutz von Freiheit mit Kulturchauvinismus, Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit zu vermengen. Wilders behauptet in dem Streifen, der Islam wolle alles beherrschen und unterwerfen und die westliche Zivilisation "vernichten". Zum Beleg zieht er Verse aus dem Koran über den Umgang mit nicht-islamischen Menschen an und zeigt dazu Bilder muslimischer Prediger, die zur Ermordung von "Ungläubigen" aufrufen. Im Nachspann gibt Wilders zwar seine Quellen an, jedoch ist es dem Betrachter nicht möglich, zu beurteilen, ob aneinandergefügte Szenen tatsächlich zusammengehören. Auch zeigt Wilders Schlagzeilen niederländischer Zeitungen, deren Wahrheitsgehalt offenbleibt.

Bei der Regierung in Den Haag aber dürften nach der Veröffentlichung des Films die Alarmlampen rot leuchten. Sie distanzierte sich mittlerweile von dem anti-islamischen Film. "Wir sehen nicht, dass damit etwas Anderes bezweckt wird als das Verletzen von Gefühlen", erklärte Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Der Fraktionsvorsitzende der regierenden Christdemokraten, Pieter van Geel, nannte den Film "gemein und verletzend". Eine Sprecherin der mitregierenden Sozialdemokraten sagte, Wilders stelle bereits bekannte Szenen so zusammen, dass sie "angsteinflößend" wirken. Die Zeitung de Volkskrant kommentierte am Freitag, der Film gleiche den Propagandamethoden, mit denen totalitäre Regime Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufhetzen.

Von Regierungsseite war schon im Dezember davor gewarnt worden, dass Wilders' Projekt gefährliche Konsequenzen haben könnte. Immerhin war im November 2004 der Regisseur und Islamfeind Theo van Gogh in Amsterdam von einem muslimischen Extremisten ermordet worden – ebenfalls wegen eines kurzen Films, in dem die Unterdrückung der Frauen im Islam angeprangert wurde. Van Gogh drehte seinen mit provokatorischen Bildern gemachten Film damals gemeinsam mit der Politikerin Ayaan Hirsi Ali. Auf seiner Leiche fand sich ein Zettel mit Todesdrohungen gegen sie – und Geert Wilders.

Hirsi Ali hat die Niederlande, wo sie nur geringen politischen Erfolg hatte, inzwischen verlassen. Der aus Venlo an der deutschen Grenze stammende Wilders jedoch ist aktiv wie noch nie. Allein die Ankündigung seines Films versetzte die niederländischen Medien in derartige Aufregung, dass viele Zeitungen nahezu täglich darüber berichteten – obwohl niemand wusste, was Wilders zeigen würde. Dass er aber die gut 800.000 Muslime im Land kränken und verletzen würde, darüber gab es kaum einen Zweifel. Immerhin vergleicht er den Islam mit dem deutschen Faschismus und verlangt ein Verbot des Korans.

In seinem Film zeigt er nun Verse aus dem Koran, wonach die Ungläubigen zu töten seien – dazu das Flugzeug-Attentat von New York und den Anschlag in Madrid. Und Prediger, die genau das von ihren Zuhörern verlangen. Einer zieht dramatisch ein Schwert. Die Hinrichtung einer Frau ist zu sehen, Kinder mit blutigen Gesichtern – "die Zukunft der Niederlande?", fragt eine Textzeile zum Schluss.

In den Medien wird vor allem darüber diskutiert, ob dies zur freien Meinungsäußerung gehört – die Antwort ist meist "Ja". Nur eine islamische Organisation wollte den Film von vornherein gerichtlich verbieten lassen. Die für diesen Freitag angesetzte Verhandlung dürfte sich nun erledigt haben.

Doch die Regierung plagen andere Probleme. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende hat Wilders wiederholt aufgerufen, nicht nur seine Meinungsfreiheit zu gebrauchen, sondern – zumal als Abgeordneter – auch gesellschaftliche Verantwortung zu zeigen. Solche Appelle perlen allerdings an Wilders ab. Für ihn ist Balkenende nur "feige" und hat "die Seite der Taliban" ergriffen. Gegen diese früheren Machthaber in Afghanistan kämpfen derzeit auch niederländische Soldaten. Nicht zuletzt um deren Sicherheit ist die Regierung in Den Haag besorgt – gab es doch dort schon Proteste gegen Wilders' Film, noch bevor der Inhalt überhaupt bekannt war.

Siehe dazu auch in Telepolis:

(Thomas P. Spieker, dpa, Jürgen Kuri) / (jk)