Britischer Provider sperrt Kunden wegen Filesharing den Anschluss

Einem BBC-Bericht zufolge ist in der britischen Stadt Hull seit Jahren gängige Praxis, was sich Rechteinhaber sehnlichst wünschen: Der einzige lokale Internetanbieter kappt Kunden, die sich der Urheberrechtsverletzung verdächtig machen, den Anschluss.

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Ein britischer Zugangsanbieter kappt Kunden, denen Urheberrechtsverletzungen vorgeworfen werden, ohne Vorwarnung den Internetanschluss. Einem BBC-Bericht zufolge ist das bei Karoo, einem Netzbetreiber in der Stadt Hull, bereits seit Jahren gängige Praxis. Um wieder angeschlossen zu werden, müsse der Kunde vorsprechen und schriftlich erklären, solche Verstöße künftig zu unterlassen. In seinen Nutzungsbedingungen definiert der Provider Urheberrechtsverletzungen als Verstoß und behält sich das Recht vor, den Anschluss auch ohne Ankündigung stillzulegen.

Das britische Unternehmen hat damit nicht nur schon umgesetzt, worüber Rechteinhaber, Provider und Politik in verschiedenen Ländern und auf EU-Ebene seit Monaten ringen, es geht auch deutlich über die bisherigen Forderungen der Copyright-Branche hinaus. Auch in Großbritannien wünschen sich Musik- und Filmindustrie ein "Three-Strikes"-Modell nach französischem Vorbild. Danach sollen Internetkunden, die mit der Verbreitung geschützter Werke auffallen, erst zwei Mal verwarnt und im Wiederholungsfall zeitweise von Netz getrennt werden. Auch in Deutschland versucht die Industrie, das Thema auf die politische Agenda zu drücken – durchaus mit Erfolg.

Beide Varianten stoßen bei Bürgerrechtlern auf massive Kritik. Besonders stören sich Kritiker an der Unterwanderung rechtsstaatlicher Prinzipien. Auf Zuruf der Rechteinhaber sollen Kunden wegen eines unterstellten Rechtsverstoßes vom Netz getrennt werden, ohne dass sie selbst dazu gehört werden oder ein Richter die Zwangsmaßnahme anordnet. In Frankreich war ein so geplantes Gesetz am Verfassungsrat gescheitert und steht auch in der neuen Version, die einen Richter einbezieht, weiter unter Beschuss. Auch die britische Regierung hatte zuletzt durchblicken lassen, dass sie Internetsperren nicht zu den "bevorzugten Möglichkeiten" im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen zählt, erwägt aber Maßnahmen wie Bandbreitendrosselung.

Wie das Verfahren bei Karoo konkret abläuft und was die Kunden im Ernstfall unterschreiben sollen ist unklar, eine Anfrage dazu blieb bisher unbeantwortet. Eine betroffene Kundin sagte gegenüber der BBC, der Provider fordere im Prinzip ein Schuldanerkenntnis. Das habe sie nicht unterschrieben. Die Karoo-Muttergesellschaft KCOM hält das Vorgehen des Providers für "verantwortungsbewusst" und auch im Interesse der Kunden: "Wir schützen die Leute vor illegalen Aktivitäten", meint Nick Thompson von KCOM der BBC. Das Unternehmen habe davon nichts. "Tatsächlich handeln wir gegen unsere eigenen Interessen, weil wir den Kunden nichts berechnen, während ihr Anschluss gesperrt ist." Allerdings dürften sich die Ausfälle in Grenzen halten. Gekappte Kunden werden sich überlegen, die geforderte Unterschrift schnell zu leisten.

Denn die Kunden, die von Karoo ausgeschlossen werden, haben keine Festnetz-Alternative. Karoo ist eine Marke der KCOM Group, dem einzigen Netzbetreiber in der Region. Die börsennotierte KCOM hat ihre Wurzeln in dem kommunalen Netzbetreiber Hull City Telephone Department, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Netzinfrastruktur in der Region von National Telephone übernommen hatte und seither mit eigener Lizenz Telefondienste anbietet. Andere Regionalanbieter wurden sukzessive von der britischen Post übernommen und gingen schließlich in British Telecom (BT) auf. Durch den Sonderfall hat BT in der Region Hull kein Netz. Zwar bietet KCOM möglichen Wettbewerbern Netzzugang zu von der Regulierungsbehörde Ofcom überwachten Konditionen an, doch hat sich bisher noch kein weiterer Zugangsanbieter für die rund 190.000 Haushalte in der Region gefunden. (vbr)