Die Zukunft des Web: Mobiles Netz und Corporate TV

Ist der Massenmarkt reif für mobile Internetnutzung? Ob der große Durchbruch schon gelungen ist oder noch bevorsteht, ist selbst für die Marktteilnehmer nicht völlig klar.

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Von
  • Torsten Kleinz

RTL kritisiert die Netzbetreiber: Das mobile Internet kranke immer noch an komplizierten und oft sehr teuren Datentarifen.

Beim zweiten Kölner Web Content Forum diskutierten Vertreter der deutschen Internetwirtschaft am Donnerstag die Zukunft des Web: Während sich die Betreiber mobiler Internetangebote mit verhaltenem Optimismus zeigen, sehen sich die Videoanbieter auf dem Vormarsch. Corporate-TV soll sogar die traditionellen Fernsehsender bedrohen.

Ist der Massenmarkt reif für mobile Internetnutzung? Ob der große Durchbruch schon gelungen ist oder noch bevorsteht, ist selbst für die Marktteilnehmer nicht völlig klar. So präsentierte Robert Fahle, Leiter der Mobilsparte von RTL, eigentlich ganz optimistische Zahlen: Im August 2008 waren bereits 10,4 Millionen Deutsche mobil online, die Zugriffszahlen des mobilen RTL-Angebots stiegen innerhalb eines Jahres von 0,2 auf 4,2 Millionen Page Impressions – dies entspricht allerdings nur einem knappen Prozent der Zugriffszahlen auf RTL.de.

Um diese Zahlen zu erreichen, musste RTL das Angebot für die Nutzer stark ausbauen. Ein wesentliches Hindernis seien immer noch die komplizierten und oft sehr teuren Datentarife der Mobilfunkprovider. "Die Netzbetreiber haben lange keinen optimalen Job gemacht", kritisierte Fahle. Deshalb vermarktet RTL einen eigenen Datentarif, der – ähnlich wie ein Angebot von BILD Online – den Kunden das kostenlose Surfen im Angebot von RTL ermöglicht. Auch die Vielfalt der Geräte machte RTL zu schaffen. Um tatsächlich erfolgreich zu sein, müsse man ein Mobilangebot für fünf bis sechs verschiedene Geräteplattformen anpassen – vom Browser in Briefmarkengröße bis zum iPhone. "Der kleinste gemeinsame Nenner reicht nicht", sagte Fahle – man müsse die spezifischen Möglichkeiten der verschiedenen Plattformen berücksichtigen und nutzen.

Besonders Browsergames und aktuelle Formate werden über den Handybrowser oft abgefragt, neben schnellen Tickermeldungen seien auch Videoformate erstaunlich gut gefragt. Derzeitiger Renner sei das begleitende Angebot von Sendungen wie "Deutschland sucht den Superstar", das viele Nutzer erstmals dazu bringe, den Handy-Browser zu nutzen. "Wenn die Kunden dann keinen Tarifschock bekommen, bleiben sie dabei", erklärte Fahle.

Doch ganz so rosig sahen nicht alle Marktteilnehmer die Lage. Christoph Fromm von E-Plus beklagt den Mangel an optimierten Inhalten für die Mobilnutzung. "Mittlerweile kann man kostenneutral in den Mobil-Markt einsteigen", erklärte Fromm. Die Mobilfunkprovider seien damit überfordert, alleine die neuen Möglichkeiten zu vermarkten. Thomas von Bülow vom Verband der deutschen Internetwirtschaft beklagt das Fehlen einer allgemein akzeptierten M-Payment-Plattform, über die sich die abgerufenen Inhalte abrechnen lassen.

Bei der Frage, ob Inhalte-Anbieter, Mobilfunkbetreiber oder Geräte-Hersteller das mobile Internet vorantreiben können, schoben alle Teilnehmer den schwarzen Peter von sich. "Wir sind nicht der beste Content-Anbieter", räumte Fromm ein. Fahle richtete seine Hoffnung nach Kalifornien: Google habe in den letzten Jahren immer mehr Firmen aufgekauft, die sich mit dem mobilen Internet beschäftigen: "Dort bildet sich ein mobiler Gigant", erklärte der RTL-Manager.

Ganz anders ist die Lage im Bereich der Videoproduktionen. Thomas Mickeleit von Microsoft Deutschland sieht rosige Zeiten auf die Anbieter von Corporate TV zukommen. Statt einfach nur Werbespots zu schalten, produzierten immer mehr Firmen ihre eigenen Inhalte: "Wer nicht dabei ist, wird darunter leiden müssen", erklärte Mickeleit. Bereits in den 80er- und 90er-Jahre hätten viele Firmen ihre eigenen Fernsehstudios aufgebaut, jetzt produzierten immer mehr Konzerne professionelle Programme für die Masse – von Schalke 04 bis zu Mercedes Benz TV.

Angesichts beschränkter Marketing-Budgets sieht Mickeleit einen klaren Verlierer: "Private Fernsehsender werden gefährdet. Die Unternehmen werden selbst zu Sendern". Statt nur plumpe Werbespots abzuspulen, konzentrierten sich viele Anbieter darauf, journalistisch interessante Inhalte zu produzieren. "Die Grenzen zwischen PR und Marketing verschwimmen", sagte Mickeleit "Corporate-TV wird zu einem Leitmedium werden".

Nikolai A. Behr, Vorsitzender der Corporate TV Association sieht einen Boom des Firmen-Fernsehens per Internet: "Nur vier der DAX-Unternehmen betreiben kein Corporate-TV", erklärt der Verbandsvertreter – allerdings zählen dazu auch interne Firmen-Schulungen per Web-Video. Angesichts der gewaltigen Kostensenkungen bei der Produktion erwartet er eine starke Ausweitung des Marktes: "Auch der Kaufmann an der Ecke, der heute nur in den Gelben Seiten ist, kann einsteigen", verkündete Behr.

Problem sei allerdings, die Inhalte dann wieder dem Kunden nahe zu bringen: "Wir werden in Zukunft viel mehr für die Redakteure zahlen als für die Technik", erklärte Behr. Deren Aufgabe sei nicht nur die Produktion: Wesentliche Erfolgsvoraussetzung sei das "Seeden" der produzierten Inhalte, damit sie in Videobörsen, Blogs und Internet-Foren von den Kunden selbst weiter verbreitet werden. (Torsten Kleinz) / (jk)