EU-Forschungsprojekt zu "kooperierenden Objekten" gestartet
Ziel des auf vier Jahre angelegten CONET-Projekts ist die Weiterentwicklung des sogenannten Ubiquitous Computing, also die intelligente Vernetzung von allen möglichen (Alltags-)Gegenständen zu einer "Welt der kooperierenden Dinge".
Unter Leitung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat ein aus elf europäischen Universitäten und den Firmen SAP, Boeing, Schneider Electric, Selex sowie der Telecom Italia bestehendes Konsortium die Arbeit am Projekt "Cooperating Objects Network of Excellence" (CONET) aufgenommen. Ziel des auf vier Jahre angelegten und mit vier Millionen Euro aus dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm geförderten Projekts ist die Weiterentwicklung des sogenannten Ubiquitous Computing (UC), also die intelligente Vernetzung von allen möglichen (Alltags-)Gegenständen zu einer "Welt der kooperierenden Dinge".
Nach den Vorstellungen der UC-Protagonisten soll kleinste, in nahezu alle Gegenstände eingebaute Computertechnik schon bald eine bedeutende Rolle in unserem Leben spielen. "Vielleicht sieht Ihr künftiger Supermarkt-Besuch ja so aus: Sie packen Joghurt, Milch, Müsli, Obst und Wurst in Ihre Einkaufstasche und gehen damit einfach nach Hause. Kein Anstehen an der Kasse, kein hektisches Wühlen nach der Geldbörse, kein Umpacken vom Einkaufswagen in die mitgebrachten Beutel. Wie viel Ihr Einkauf gekostet hat, sehen Sie am Ausgang auf dem Display des Einkaufswagens– und natürlich bei der nächsten Kreditkarten-Abrechnung. Fertig."
So beschreibt die Pressestelle der Universität Bonn die Vorzüge einer schönen neuen UC-Welt – und beeilt sich auch gleich, den derzeitigen Schlüssel zum Eintritt in diese Welt zu benennen: RFID. Die nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem kontaktlosen Auslesen von biometrischen Daten auf Chip-Reisepässen und künftig womöglich auch auf Personalausweisen von Datenschützern argwöhnisch beäugte Radio Frequency Identification sei sozusagen der "kleine Bruder" der "Cooperating Objects"-Technologie, heißt es in einer Mitteilung der Uni Bonn.
Den "großen Bruder" haben die Verfasser einer vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie vor nicht allzu langer Zeit unterdessen als "große Gefahr für den Datenschutz" bezeichnet: "Die klassischen Sicherheitsschwächen des Internets und die Mängel der neuen lokalen Interaktions- und Zugangstechnologien zusammen werden sich im UC voraussichtlich nicht einfach addieren, sondern drohen durch den neuartigen, ungekannt hohen Grad an wechselseitiger Vernetzung eine neue Risikodimension der IT-Sicherheit zu erreichen", heißt es in der Ende 2006 veröffentlichten Studie.
"Der Datenschutz ist eine große Herausforderung", weiß denn auch Professor Pedro José Marrón, der das "Cooperating Objects Network of Excellence" leitet. "Mit der Sicherheit der Technologie steht und fällt ihre Akzeptanz", sagt der Informatiker, der an der Universität Bonn und am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) in Sankt Augustin tätig ist. CONET solle vor allem dazu beitragen, "eine Gemeinschaft von Forschern aufzubauen, die sich dem Themenspektrum der Cooperating Objects widmet, um das Wissensgebiet in den kommenden Jahren voranzutreiben".
Die in den kommenden fünf Jahren zu erwartenden Anwendungen auf dem Gebiet des Ubiquitous Computing und der Cooperating Objects konzentrieren sich laut einer Befragung unter rund 50 Ubiquitous-Computing-Spezialisten am Rande einer Fachtagung in Brüssel vor allem auf die Gebiete "Logistik", "Kontrolle und Automatisierung" sowie "Sicherheit und Überwachung". Im Wirtschaftsumfeld geht es meist um die Optimierung von Prozessabläufen in geschlossen Kreisläufen – etwa wenn Koffer am Flughafen durch ein komplexes Labyrinth von Förderbändern geschleust werden oder Produktions- und Lieferketten bei pharmazeutischen Erzeugnissen kontrolliert werden sollen.
Werden im Rahmen einer "Context Awareness" zusätzlich Sensordaten erfasst, lässt sich beispielsweise auch die Einhaltung von Kühlketten etwa bei Molkerei- oder Fleischprodukten genau überwachen. Zur Verwertung und Übertragung der UC-Daten können (neben Kabellösungen) letztlich alle Funktechnologien genutzt werden, von RFID über Bluetooth bis hin zu WLAN und GPRS/UMTS, und selbst GPS zur genauen Standortbestimmung eines bestimmten Objekts gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wohin die UC-Reise führen wird, veranschaulichen derzeit wohl am besten die sogenannten U-City-Projekte in Südkorea, für die ein Investitionsvolumen von rund 25 Milliarden US-Dollar eingeplant ist.
Eingebettet in ein All-in-One-Network sollen etwa die Einwohner von "New Songdo City" nahe Seoul schon in wenigen Jahren vollständig vernetzt sein: Die kompletten Daten einer ganzen Stadt, ob von Behörden, Schulen, Ärzten, Krankenhäusern oder Unternehmen sollen – eine entsprechende Autorisierung vorausgesetzt – zu jeder Zeit und an jedem Ort zugänglich sein. In intelligenten Wohnungen werden Bewegungssensoren tageszeitabhängige Lichtszenarien initiieren, Kühlschränke und Vorratskammern schlagen selbsttätig Positionen für die nächste Einkaufsliste vor, die dann online an den Supermarkt übermittelt wird. Kommt der Bewohner abends von der Arbeit zurück, findet er die gelieferten Waren in einer Art überdimensioniertem Briefkasten mit Kühlkörper vor.
Ein zentrales Thema der U-Citys ist zudem die Einbindung von Haushaltsrobotern in das Leben der Bürger. Auf diesem Gebiet will Südkorea zum Weltmarktführer avancieren – und wer wäre für das Testen von komplexen Cooperating-Objects-Anwendungen besser geeignet, als ein autonom tätiger Roboter, der bei Hausarbeiten mit zahlreichen Wohnungsobjekten interagieren muss. Und vielleicht lassen sich über diese Schiene ja vorhandene Ressentiments gegenüber UC-Anwendungen aus der Welt schaffen: Denn wer hätte nicht auch gerne einen intelligenten Putzroboter zuhause, der lästige Arbeiten erledigt, und dem man bei Bedarf auch mal per Mobiltelefon-Anbindung über die Schulter schauen kann. (pmz)