EU-Parlamentarier kritisieren Ratsbeschluss zur Terrorbekämpfung im Netz

Der Innenausschuss des EU-Parlaments sieht durch einen geplanten Ratsbeschluss zur Kriminalisierung öffentlicher Aufforderungen zu terroristischen Straftaten eine Gefahr für die Meinungsfreiheit im Internet.

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Von
  • Monika Ermert

Der Innenausschuss des EU-Parlaments hat vor den möglichen Gefahren für die Meinungsfreiheit gewarnt, die Änderungen im Ratsbeschluss der Innenminister zur Terrorismusbekämpfung (PDF-Datei) mit sich bringen könnten. Die Ausschuss-Entscheidung ist für den Rat der Innenminister aber nicht bindend. Ohne den Lissabon-Vertrag, der dem Parlament mehr Mitspracherechte gibt, können die Innenminister in diesem Fall am Ende alleine entscheiden.

Der geplante neue Ratsbeschluss, auf den sich die Innenminister laut dem liberalen Abgeordneten Alexander Alvaro bereits weitgehend geeinigt haben, hat die Kriminalisierung und Verfolgung "öffentlicher Aufforderungen" zu terroristischen Straftaten, und die "Anwerbung" und "Ausbildung" potentieller Terroristen zum Ziel. Er ist die Neufassung des Ratsbeschlusses zur Bekämpfung des Terrorismus aus dem Jahr 2002 (2002/475/JHA) und zielt auf die Nutzung des Internets für potentielle Vorbereitungshandlungen im Terrorumfeld. Dazu gehören auch die vom ehemaligen Justizkommissar Franco Frattini in den vergangenen beiden Jahren ins Visier genommenen Bombenbauanleitungen im Internet.

Da es bei der Kriminalisierung von "Aufforderungen" um öffentliche Äußerungen gehe, sei das Grundrecht der Meinungsfreiheit gefährdet, warnte nun die Berichterstatterin des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), die französische Sozialistin Roselyne Lefrancois. Die Abänderung des Begriffs "öffentliche Aufforderung" in "Anstiftung" oder "Aufstachelung" hielt der Ausschuss daher für unerlässlich. Viel zu unpräzise sei der Wortlaut, den die Innenminister durchdrücken wollen, kritisiert Lefrancois im verabschiedeten Bericht (PDF-Datei).

"Ich freue mich schon auf den Richter, der zu entscheiden hat, ist das jetzt öffentliche Anstiftung, fällt es noch unter die Meinungsfreiheit oder ist es Teil einer technisch-wissenschaftlichen Abhandlung", warnte Alvaro. Die Entscheidung darüber sei in hohem Maß abhängig vom Richter, der statt einer klaren Regel zur Anwendung des Rechts einen großen Auslegungsspielraum habe. Der Arm der Staatsanwälte werde mit dem Ratsbeschluss zudem länger und reiche weit in den Vorfeldbereich hinein, meint der Liberale.

Die LIBE-Rechtspolitiker befürworten in ihren Vorschlägen hingegen eine Kriminalisierung erst dann, wenn mindestens eine gewisse "reale Gefahr" bestehe, dass Straftaten begangen werden könnten. Der Rat möchte demgegenüber jede vorsätzliche Anstiftung zu Terrorakten kriminalisieren, "unabhängig davon, ob dabei terroristische Straftaten unmittelbar befürwortet werden". Dies zu überprüfen komme einem Gedankenstrafrecht nahe, kritisiert Alvaro. Im deutschen Strafrecht bleibt, anders als im Ratsbeschluss vorgesehen, eine Anstiftung ohne Haupttat straffrei.

Zwar war der Rat mit einer Wissenschafts- und Berichterstattungsklausel der Kritik begegnet, dass mit einem solchen Beschluss eine Menge Webseiten von Universitäten oder Schulen ins Fadenkreuz des Strafrechts rücken könnten. Den Parlamentariern erscheint das nicht genug, sie fordern außerdem den Schutz künstlerischer Darstellungen und den Schutz vor diskriminierenden Entscheidungen.

Alvaro, der für weitere Änderungsanträge plädiert hatte, sagte, er gebe sich keinen Illusionen zur Reaktion des Rats der Innenminister auf die Ausschuss-Entscheidung hin. Als "schöne Übung des Parlaments" habe bereits ein Ratsvertreter die Änderungswünsche des Parlaments bezeichnet. (Monika Ermert) / (anw)