Lizenzstreitigkeiten ziehen Dassower CD-und DVD-Werk erneut in den Abgrund [Update]

Direkt daran beteiligt ist offenbar auch der bisherige Geschäftführer der Disc Technology Center GmbH, Hilal Fetouhi. Gemeinsam mit ODS-Pleitier Wilhelm Mittrich, dem Subventionsbetrug vorgeworfen wird, hat Fetouhi jetzt eine AG in der Schweiz gegründet.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die ominösen Vorgänge rund um das einst größte CD- und DVD-Werk in Europa, das heute unter dem Namen Disc Technology Center GmbH (DTC) in Dassow firmiert, reißen nicht ab. Nachdem die bisherige Geschäftsführung von DTC offenbar ohne Absprache mit der dänischen Muttergesellschaft Dicentia nach nur zwei Monaten Produktion erneut einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Schwerin gestellt hatte, feuerte Dicentia-Chef Torben Nordquist den Dassower Geschäftsführer in der vergangenen Woche und ließ anschließend auch den Insolvenzantrag zurückziehen. Neue, von Dicentia bestellte Geschäftsführer sollten in Dassow nach dem Rechten sehen – denn der Muttergesellschaft war laut Nordquist "undurchsichtig geblieben, was da eigentlich passiert".

Zum Verständnis der Vorgänge in Dassow tragen unter Umständen folgende Fakten bei: Dicentia hatte im Mai vom Insolvenzverwalter des Vorgängerunternehmens Optical Disc Service (ODS) den Zuschlag zur Übernahme eines Teils des CD- und DVD-Werks in Dassow erhalten. Zum gleichen Zeitpunkt erteilte das Europäische Patentamt einen Schutzanspruch auf die sogenannte EcoDisc, einen deutlich günstiger und ressourcenschonender zu produzierenden Silberling, der zwar wie eine normale DVD 4,7 GByte Daten speichert, jedoch nur halb so dick wie eine Standard-DVD ist. Dicentia war mit der Vorgabe angetreten, die Produktion in Dassow bis zum September dieses Jahres auf täglich 540.000 CDs und 350.000 solcher "Umwelt-Discs" zu steigern.

Als einer der Erfinder der EcoDisc wird in dem am 21. Mai 2008 veröffentlichten Patent der Algerier Hilal (Al) Fetouhi angeführt – just jener Hilal Fetouhi, der früher Forschungschef bei ODS war und von Dicentia zum Geschäftsführer der neuen DTC berufen wurde. Und Fetouhi ist nicht nur Erfinder der EcoDisc, er teilt sich laut Patentschrift auch die Lizenzrechte an der EcoDisc mit der ODS Technology GmbH (Dassow) sowie dem Franzosen Roger Nute. Während Dicentia offenbar davon ausgegangen war, mit Fetouhi auch die Rechte zur Produktion von EcoDiscs eingekauft zu haben, stellte der Geschäftsführer nach nur wenigen Wochen den Insolvenzantrag für die Disc Technology Center GmbH.

Dicentia räumt inzwischen ein, dass die Herstellung von EcoDiscs eingestellt wurde, weil der Rechtsstreit über eine entsprechende Lizenz noch nicht entschieden sei. Lizenzinhaber – also wohl auch Fetouhi – pochen laut Schweriner Volkszeitung auf Millionenzahlungen und setzen dabei auch die defizitär arbeitende Muttergesellschaft Dicentia unter Druck: Vor der Vergabe der Rechte an die neue Dassower Gesellschaft sollten die Dänen zunächst von ihnen selbst noch nicht geleistete millionenschwere Lizenzgebühren für die dänische Produktion zahlen, schreibt die Zeitung.

Und hier dürfte auch wieder der einstige Geschäftsführer der Optical Disc Service GmbH, Wilhelm Friedrich Mittrich, ins Spiel kommen. Denn Mittrich, dem die Staatanwaltschaft Schwerin Subventionsbetrug im Zusammenhang mit der ODS-Insolvenz vorwirft, und der gleich bei mehreren Unternehmungen in Deutschland und Großbritannien verbrannte Erde hinterlassen hat, ist neuerdings Direktor einer schweizerischen Aktiengesellschaft, an der auch Fetouhi beteiligt ist: Am 21. August 2008, also unmittelbar vor Einreichung des Insolvenzantrages für DTC, gründeten beide gemeinsam mit zwei weiteren Personen die mit 100.000 Franken ausgestattete EcoDisc Technology AG, die unter dem Dach der Klondyke Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft AG in Hergiswil firmiert.

Geschäftszweck der EcoDisc Technology AG: Die "Verwaltung und Verwertung von Patenten, Marken, Urheberrechten und anderen Rechten, die Forschung, Entwicklung und Beratung im Bereich umweltfreundlicher Medien und Verfahren, sowie der Handel mit digitalen Medien, insbesondere der EcoDisc". Zu den eingetragenen Personen der EcoDisc Technology AG gehört auch der Deutsche Alexander Renziehausen. Der Name Renziehausen taucht im Zusammenhang mit der spanischen Iberdisc auf, die ebenfalls an einer Übernahme der früheren ODS interessiert war und sich zuletzt erneut in Dassow ins Gespräch gebracht hatte. Iberdisc-Geschäftsführer Christian Spychala hatte zwar unter anderem gegenüber heise online beteuert, er stehe in keinerlei Verbindung zu Mittrich, in Branchenkreisen wird jedoch erzählt, die Ehefrau Mittrichs (Familienname: Renziehausen) sei Gesellschafterin von Iberdisc.

Für die derzeit rund 90 Mitarbeiter der Disc Technology Center GmbH (DTC) in Dassow hat das Lizenz-Geschachere hinter den Kulissen unterdessen erhebliche Konsequenzen: Mitte der Woche war nicht klar, ob den Beschäftigten wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit überhaupt Löhne überwiesen werden. Und dass sich die Situation in Dassow in näherer Zukunft bessern wird, ist fraglich. Zwar räumen Branchenkenner der EcoDisc aufgrund von Gebrauchsnachteilen gegenüber der DVD (etwa wegen der geringeren Stabilität und ihrer Slot-In-Inkompatibilität) generell kein großes Marktpotenzial ein, die Dänen richteten ihr Businessmodell aber stark auf die EcoDisc aus. Eine neuerliche Insolvenz käme dem Mittrich-Clan sicherlich nicht ungelegen, denn dann könnte man über den Umweg Schweiz und Spanien womöglich wieder Geschäfte in Dassow machen.

[Update]

Der frühere ODS-Geschäftsführer Wilhelm F. Mittrich hat sich per Mail an heise online gewandt und darauf hingewiesen, dass es sich bei den Millionenforderungen gegenüber der dänischen Dicentia A/S und ihrer deutschen Tochterfirma Disc Technology Center GmbH (DTC) nicht um Forderungen der Inhaber des Patents auf die EcoDisc handele. Vielmehr stammten die Forderungen von der MPEG Licensing Administration (MPEG LA), die zudem eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel beantragt habe, der DTC jegliche Herstellung von Video-DVDs (einschließlich EcoDiscs) in Deutschland zu untersagen. Die Herstellung der EcoDisc sei hingegen von den Patentinhabern ausdrücklich genehmigt worden. (pmz)