Medien-Professorin: Selbstkontrollen im Internet sind wichtig
Mit dem Grad der Anonymität steige die Unverbindlichkeit und der Mangel an ethischen Regeln, meint Petra Grimm von der staatlichen Hochschule der Medien, die auch eine "Tyrannei der Schnatterei" kritisiert.
Lug und Trug sind Bestandteil des Internets – und dort nicht häufiger vertreten als im richtigen Leben. Diese Einschätzung verbindet die Stuttgarter Medienforscherin Petra Grimm mit der Beobachtung, dass viele Menschen damit überfordert sind, Fälschungen im Internet zu erkennen. "Es gibt so viele Möglichkeiten, etwas zu faken oder realistisch wirken zu lassen", sagte die Professorin an der staatlichen Hochschule der Medien im Gespräch mit dpa.
Ihrer Meinung nach "steigt mit dem Grad der Anonymität die Unverbindlichkeit und der Mangel an ethischen Regeln". Nach dem Amoklauf von Winnenden hatte eine vermutlich gefälschte Ankündigung im Internet für Aufregung gesorgt. Im Netz gebe es selbstverständlich Menschen, die darauf aus seien, andere Menschen zu betrügen, betonte Grimm. Viele, die falsche Inhalte in das Internet einstellten, dächten nicht über die Konsequenzen nach. "Es fehlt an Bewusstsein des Unrechts", sagte Grimm. Das Problem sei, dass das Internet ein nur bedingt regulierbarer Raum sei, in dem problematische Inhalte sichtbar würden, "die wir ohne das Internet nicht zu Gesicht bekommen hätten".
Lug und Trug stellten besonders im Kontext des Journalismus eine Gefahr dar, sagte die Wissenschaftlerin. Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, Falschmeldungen oder Betrügereien zu erkennen, wie dies im Falle der Ankündigung des Amokläufers von Winnenden wahrscheinlich zu spät geschah. "So könnten in den Chatforen verstärkt Moderatoren eingesetzt werden oder sogar nur moderierte Chats angeboten werden." Im Bereich der Video-Plattform YouTube oder bei Suchmaschinen könnte es mehr Stichproben geben. "Selbstkontrollen sind wichtig." Nicht alle Jugendlichen könnten mit Pöbel- oder Gewaltvideos umgehen. "Dies kann dazu führen, dass Gewalt als normal erscheint."
Im Internet befänden sich sehr viele "parajournalistische Quellen, die sehr dubios sind und mit Journalismus nichts zu tun haben". Auch viele Kommentare seien nicht journalistisch. "Menschen, die dies einstellen, sind keine Journalisten, sondern Nutzer, die sich aus den unterschiedlichsten Motiven im Netz bewegen." Als Beispiel nannte Grimm den Micro-Blogging-Dienst Twitter , in den Texte und Links eingestellt werden, sowie Chatforen. "Ich spreche in diesem Zusammenhang von einer 'Tyrannei der Schnatterei'." Dort werde kommuniziert, um Aufmerksamkeit zu erregen und um Sensationen ins Netz zu stellen, sagte Grimm. "Dies alles ist natürlich nicht fundiert. Die echte journalistische Berichterstattung wird an Qualität gemessen." Foren erheben nicht den Anspruch, journalistische Qualität zu produzieren. "Jugendliche müssen nun mit dieser Kombination im Netz zurechtkommen und brauchen deswegen mehr Medienkompetenz, um gestützte und ungestützte Behauptungen zu unterscheiden." (Tatjana Bojic, dpa) / (jk)