Ă–sterreich: Verfassungsbeschwerden gegen Sicherheitspolizeigesetz
Das neu gefasste SPG verpflichtet Mobilfunker, auf Polizeibefehl Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung eines Handys preiszugeben. GleichermaĂźen mĂĽssen Provider Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgeben.
Mehrere Individualanträge beim österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) verfolgen das Ziel, die zum 1. Januar in Kraft getretenen Absätze 3a und 3b des Paragraphen 53 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) aufheben zu lassen. Anträge eingebracht haben bisher T-Mobile Austria, der Internet Service Provider Silver Server, der Gratis-Hotspot-Betreiber Freewave sowie Marie Ringler, Technologiesprecherin der Wiener Grünen. Das neu gefasste SPG verpflichtet Mobilfunker, auf Polizeibefehl Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung (IMSI) eines Handys preiszugeben. Gleichermaßen müssen Provider Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgeben. Eine richterliche Kontrolle der Wünsche der Polizei gibt es nicht mehr; eine Information der Betroffenen ist ebenso wenig vorgesehen, wie eine Löschung der erhobenen Daten.
Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz und der liberale Nationalratsabgeordnete Alexander Zach bereiten ihrerseits weitere Individualanträge vor, die jeweils von mehreren Personen gemeinsam eingebracht werden sollen. Pilz und Ringler veröffentlichten Ringlers Antrag heute im Rahmen einer Pressekonferenz. "Ich habe selten so ein schlampiges Gesetz gesehen. Es ist das schleißigste Gesetz, dass ich in den letzten Jahren im Nationalrat gesehen habe", kritisierte Pilz unbestimmte Begriffe und unklare Regelungen der SPG-Novelle. "Ich gehe davon aus, dass der Paragraph 53 SPG vor dem VfGH nicht halten wird." Zusätzlich würden die Grünen der SPÖ und der freiheitlichen Partei eine parlamentarische Initiative zur Rücknahme des Paragraphen vorschlagen. "Dieses Gesetz wird gekippt", zeigte sich Pilz zuversichtlich.
In ihrem Individualantrag (PDF-Datei) sieht Ringler das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Grundrecht auf Datenschutz sowie den Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Zur näheren Ausführung des Paragraphen 53 SPG gibt es einen Erlass des Innenministers. Dieser wird jedoch geheim gehalten. Selbst die unmittelbar betroffenen Internet-Provider bekommen keine Einsicht in diese Vorschriften und können daher nicht beurteilen, ob von Polizeibehörden an sie gerichtete Anfragen dem Erlass entsprechen. "Irgendetwas gibt es da zu verbergen", meint Pilz. Zuvor hatten bei einer eigenen Pressekonferenz auch der Branchenverband ISPA (Internet Service Provider Association Austria) sowie die Bundessparte Information und Consulting der Wirtschaftskammer (WKÖ-BSIC) kritisiert, dass der Erlass nicht bekannt gemacht wird. "Eine freie Wirtschaft bedarf ganz starker Grundrechte", sagte BSIC-Obmann Hans-Jürgen Pollirer, "Selbstverständlich haben wir kein Problem, Daten bekannt zu geben, wenn es um Gefahren geht wie Selbstmordgefahr oder Bergunfall." Die Daten müssten jedoch für solche Sachverhalte relevant seien. Derzeit würden nach dem Sicherheitspolizeigesetz auch Anfragen gestellt, die sich auf Daten von bis zu vor einem Jahr bezögen. Zudem wurde die mangelnde Kontrolle kritisiert: "Der Rechtsschutzbeauftragte (der von der Polizei nach einem Auskunftsbegehren zu informieren ist, Anmerkung) ist kein Richter. Er hat keine Möglichkeit, sich dagegen auszusprechen oder Sanktionen zu verhängen." Die Kontrolle der Polizei sei viel zu schwach.
ISPA und Wirtschaftskammer formulierten vier Forderungen an das Innenministerium: Erstens müsse es klar abgestimmte Regelungen geben, wann Auskünfte nach dem Sicherheitspolizeigesetz, wann nach der Strafprozessordnung und wann nach dem Telekommunikationsgesetz zu erfolgen haben. Zweitens sei Awareness-Bildung bei den Sicherheitsbehörden wichtig, damit diese "nicht wegen jedem Schmarren Auskunftsersuchen" versenden würden. Die Kammer bietet an, dafür entsprechende Schulungen durchzuführen. Drittens sei bei Auskunftsersuchen ein Kostenersatz als Regulativ erforderlich und viertens müsse die Verhältnismäßigkeit der neuen Bestimmungen evaluiert werden.
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(Daniel AJ Sokolov)
Daniel AJ Sokolov ist freier Journalist und berichtet für heise online über alle Themen aus Telekommunikation, IT und dem gesellschaftlichen Umfeld in Österreich. Sokolov ist parallel dazu auch Mitglied der österreichischen Grünen und Vorsitzender der Bezirksvertretung Wien-Josefstadt. (jk)