Roboter greifen zu

Industrieroboter erobern immer mehr Anwendungsbereiche und sollen auch dem Mittelstand unter die Arme greifen. Was mit den elektronischen Helferlein derzeit möglich ist, zeigten Aussteller beim Forum Robotic in Bremen.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Erneuerbare Energien bringen Roboter in Schwung. Das ist allerdings nicht so zu verstehen, dass die Maschinen ihre Energie direkt von Sonne, Wind oder Wasser beziehen. Vielmehr werden sie vermehrt bei der Fertigung von Solarzellen und der Kontrolle und Wartung von Energieanlagen eingesetzt.

"Vor 18 Monaten war das Marktsegment 'Solar' noch gar nicht existent", sagte Rüdiger Winter von der Adept Technology GmbH beim Forum Robotic der Messe Bremen. "Heute liefern wir 22 Prozent unserer Robotersysteme in die Fotovoltaikindustrie." Dort greifen mechanische Helfer wie der Adept Quattro s650 sich die Bauteile vom Band und fügen sie mit großer Präzision und Geschwindigkeit zu fertigen Produkten zusammen. Gesteuert von einer oder mehreren Kameras können die Roboter dabei auch mit ungeordneten, in unterschiedlichen Positionen liegenden Teilen umgehen. Schwingförderer, die die zu verarbeitenden Teile in die gewünschte Position bringen, aber auch für jedes neue Teil speziell gefertigt werden müssen, werden dadurch überflüssig. "Die Zuführtechnik ist häufig der Engpass", sagte Winter, "nicht der Roboter."

Selbst der Griff in die Kiste ist dank 3-D-Bildverarbeitung möglich. Sollte das System keinen greifbaren Gegenstand erkennen können, rüttelt es einfach an der Kiste. Mit parallel arbeitenden Robotern, sagt Winter, ließen sich auf diese Weise Pralinenschachteln im Takt von fünf bis sechs Sekunden füllen.

Dieser Roboter von Kawasaki hebt Pakete mithilfe eines Saugers, kann aber bei Bedarf auch einen Klemmgreifer einsetzen.

Das Greifen ist ein großes Thema in der Industrierobotik. Lebensmittel stellen dabei nicht nur Anforderungen an die Hygiene, sondern auch an die Flexibilität des Greifers, der Koteletts, Äpfel oder Würste gleichermaßen sicher handhaben soll. Jörg Herrmann von der Schunk GmbH stellte ein System zur Verpackung von Bifi-Würsten vor, das mit einem Klemmgreifer arbeitet. Im Unterschied zur vorher verwendeten Saugtechnik konnte die Leistung von 320 auf 600 Würste pro Minute gesteigert werden.

Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass Bifi die kleinen Salamihäppchen in etwa 20 verschiedenen Varianten anbietet. Damit sich das Robotersystem rentiert, muss es möglichst rasch und unaufwendig auf diese unterschiedlichen Größen und Formen eingestellt werden können. Das gilt in ähnlicher Weise für Produkte wie Rasierapparate oder Mobiltelefone, die von den Herstellern in vielfältigen Varianten, aber häufig kleinen Mengen angeboten werden.

Die Axelius Automation GmbH sieht hier eine ihrer Kernkompetenzen. Christof Jung stellte ein Leitrechnerkonzept für eine Prüfanlage vor, in der unterschiedliche Servoumrichter für Windkraftanlagen getestet werden können. Damit brachte er zugleich ein weiteres Beispiel, wie Robotik und erneuerbare Energien zusammengehen können. Am Messestand von Axelius war ein System zum Aufbringen von Klebstoff für die Montage von Autoteilen zu sehen.

Die Automobilindustrie ist weiterhin der Hauptanwender von Industrierobotern. "Im Karosseriebau sind Roboter nicht wegzudenken", sagte Gunnar Thielemann vom Mercedes-Benz-Werk Bremen. Allein 1129 Roboter des Typs KRC-2 seien im Rohbau der C-Klasse im Einsatz. Zu den innovativen Robotikanwendungen zählte Thielemann kooperierende Roboter. Während ein Master-Roboter ein Bauteil hält und bewegt, können bis zu 16 Slave-Roboter zum Beispiel Schweißarbeiten durchführen. Warte- und Ablegezeiten werden dadurch reduziert.

Der Schweißroboter der APT GmbH vermisst das zu bearbeitende Werkstück und schweißt dann exakt entlang des gemessenes Wegs.

Ein bei der Bremer Veranstaltung häufig zu hörendes Stichwort war aber auch "Mittelstand". Er ist das Ziel vieler Anbieter von Robotiksystemen. Malte Stahnke von der APT GmbH etwa präsentierte ein System zum vollautomatischen Schweißen nicht-rotationssymmetrischer Werkstücke, das auch für kleinere und mittlere Unternehmen interessant sein könnte. Das Besondere an diesem System ist, dass es nicht programmiert werden muss: Mithilfe eines Lasers wird zunächst die Form des Objekts genau erfasst. Auf Grundlage dieser Messdaten kann das System den Brenner dann so steuern, dass er mit konstanter Geschwindigkeit über das Werkstück geführt wird und auch Abstand und Winkel zur Oberfläche konstant gehalten werden.

Der Mittelstand fand indes nur ausnahmsweise den Weg in die Messe Bremen. Das Forum Robotic 2009 hatte das Pech, in einer Zeit großer Unsicherheit veranstaltet zu werden, in der viele Firmen zurückhaltend mit Messebesuchen sind. Manche Aussteller äußerten sich entsprechend enttäuscht und kündigten an, nicht mehr kommen zu wollen. Andere waren zufriedener und sagten, dass zwar nur wenige Besucher an ihre Stände gekommen seien, die aber dafür umso interessierter waren. Inwieweit sich das Forum Robotic dauerhaft etablieren kann, ist daher noch offen. Der Termin des nächsten Forums steht jedenfalls schon fest: Es findet statt am 4./5. März 2010, wieder in der Messe Bremen. (Hans-Arthur Marsiske) / (anm)