US-Gericht: Staatshoheit siegt über Copyright

Ein US-Soldat zog wegen Copyright-Verletzung gegen die Air Force vor Gericht. Der Richter wies die Klage zurück: Im Zweifelsfall dürfe sich die US-Regierung durchaus mit Reverse Engineering und Binär-Patches behelfen.

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Von
  • Gerald Himmelein

Ein amerikanisches Berufungsgericht wies die Klage einer US-Firma gegen die US-Luftwaffe zurück. Die Firma Blueport hatte wegen Copyright-Verletzung und Umgehung digitaler Schutzmechanismen nach dem DMCA geklagt. Das Gericht urteilte, dass die Staatshoheit im vorliegenden Fall den Copyright-Schutz aufhebe.

Der US-Soldat Mark Davenport war mit der Verwaltung des Personalbestands der Air Force (USAF) unzufrieden und hatte in seiner Freizeit ein Werkzeug namens AUMD geschrieben, um die benötigten Abläufe zu vereinfachen.

Davenport gab das in Visual Basic und Access geschriebene Werkzeug an Kollegen weiter, um Programmfehler auszumerzen und die Bedienung zu optimieren. Später stellte er das Tool auf eine Webseite des USAF-Intranets. Den Quelltext behielt Davenport jedoch auf seinem privaten Computer; die ausführbaren Versionen versah er mit einem Ablaufdatum.

Der Erfolg des AUMD-Werkzeugs führte zu Davenports Beförderung. Bald sorgten sich seine Vorgesetzten jedoch um die zunehmende Abhängigkeit von ihrem Mitarbeiter. Sie forderten den Soldaten zur Freigabe des Quelltexts auf. Davenport weigerte sich, gründete zusammen mit seinem Onkel die Firma "Blueport Company" und und übertrug alle Rechte an dieses Unternehmen. Blueport versuchte daraufhin, die Air Force zur Lizenzierung von AUMD zu bewegen.

Stattdessen beauftragte die Air Force ein anderes Unternehmen, den Funktionsumfang von AUMD per Reverse Engineering nachzubauen. Zudem verlängerte das Konkurrenzunternehmen über einen Patch das Ablaufdatum aus der letzten AUMD-Version von Davenport um ein Jahr.

Daraufhin verklagte Blueport die Air Force wegen Verstoß gegen das US-amerikanische Urheberrecht (DMCA). Dieses verbietet sowohl das Reverse Engineering Copyright-geschützter Software als auch die Umgehung von Nutzungsbeschränkungen.

Der United States Court Of Federal Claims kam in der ersten Instanz jedoch zu der Schlussfolgerung, dass Davenport sein Programm am Arbeitsplatz weiterentwickelt und von dort aus auch Support für sein Programm geleistet hatte. Somit sei die AUMD-Entwicklung ein Bestandteil seines Diensts bei der Air Force gewesen. Darüber hinaus hatte Davenport erst fast zwei Jahre nach der Entwicklung des Programms ein Copyright beantragt. Ausschlaggebend war jedoch eine DMCA-Ausnahmeregelung, das der Regierung in derartigen Fällen ein Recht auf Staatshoheit garantierte. Mit dieser Begründung wies das Gericht die Klage zurück [PDF-Link].

Davenport und sein Onkel gingen in Berufung. Am 25. Juli entschied der United States Court of Appeals for the Federal Circuit abermals gegen den Kläger [PDF-Link]. Die Souveränität der USAF stünde im vorliegenden Fall vor den Copyright-Ansprüchen des Programmautors.

AUMD erledigte Aufgaben innerhalb von Sekunden, die mit der Standard-Software der Air Force einen ganzen Arbeitstag dauerten. Somit war es für die Air Force als extrem nützlich einzustufen. Vor diesem Hintergrund dürfe die Luftwaffe den Funktionsumfang nachbauen lassen, dabei auch Reverse Engineering nutzen und das Ursprungsprogramm patchen – gewissermaßen aus Notwehr.

Ein Anwalts-Blog kommentierte den Gerichtsbescheid trocken: Wer als Angestellter der US-Regierung seine Arbeit durch ein selbstgeschriebenes Programm erleichtern wolle, solle sich dies vorher gut überlegen. Es könne gut sein, dass er seinem Arbeitgeber damit ein unerwartetes Geschenk mache. (ghi)