Verfassungsrichter: Staat muss Bürger stärker vor Datenmissbrauch schützen
Der Staat müsse seine Bürger effektiv gegen den Missbrauch persönlicher Daten durch die Privatwirtschaft schützen, forderte Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier anlässlich des 25. Jahrestages des Volkszählungsurteils.
Der Staat muss seine Bürger nach den Worten von Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier stärker vor einem Datenmissbrauch durch Wirtschaftsunternehmen schützen. Das vor genau 25 Jahren vom Bundesverfassungsgericht geschaffene Grundrecht auf "informationelle Selbstbestimmung" verpflichte den Staat dazu, ein "angemessenes Schutzregime" zu errichten, sagte Papier am heutigen Montag in Karlsruhe. "Dabei wird sich der Staat häufig nicht mit bloßen Selbstverpflichtungen Privater begnügen dürfen, sondern wird selbst eine verbindliche Ordnung konstituieren müssen", forderte der Jurist bei einer Veranstaltung zum 25. Jahrestag des Volkszählungsurteils vom 15. Dezember 1983, mit dem das Bundesverfassungsgericht den Datenschutz im Grundgesetz verankert hatte.
Die jüngsten Pläne der Bundesregierung gegen den illegalen Handel mit Adressen sind aus Sicht des Präsidenten "nahezu geboten", um dem Datenschutz in der Privatwirtschaft Rechnung zu tragen. Das Kabinett hatte am vergangenen Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der unter anderem die Weitergabe persönlicher Daten ohne Zustimmung der Betroffenen grundsätzlich verbietet. Weil die Technik sich ständig weiterentwickle, werde der Schutzauftrag des Grundgesetzes zum Schutz persönlicher Daten wohl nie abgeschlossen werden können, prognostizierte Papier.
Wegen der immer umfangreicheren Datenmengen, die weltweit gespeichert werden, wächst aus Sicht Papiers die Gefahr, dass damit "Persönlichkeitsprofile von jedem von uns" erstellt werden können. "Dadurch würde der im Volkszählungsurteil für unzulässig befundene Super-Gau des Datenschutzes Wirklichkeit werden, allerdings herbeigeführt durch die Hände Privater." Zugleich warnte er vor den Gefahren des Internets: "Wenn man noch berücksichtigt, dass das Internet nichts vergisst, erscheint eine zweckwidrige Verwendung von heute im Internet kommunizierten Daten in der Zukunft geradezu programmiert."
Trotz der zahlreichen Sicherheitsgesetze in den vergangenen Jahren sieht Papier aber keinen Überwachungsstaat "Orwellscher Prägung" heraufziehen. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht mehrere dieser Gesetze beanstandet. Aber: "Nach meiner Beobachtung versuchen die derzeit maßgeblichen Akteure zumindest, sich an diese Vorgaben zu halten." Zudem verfüge das Gemeinwesen über ausreichende Kontrollmechanismen, die es von totalitären Überwachungsstaaten unterscheide. "Zum 25. Jahrestag des Volkszählungsurteils sorge ich mich jedenfalls mehr, dass wir uns zu einer privaten Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes verwandeln und dies weitgehend auch noch völlig freiwillig", sagte Papier. (dpa) / (vbr)