Von Robotern lernen, wie wir sprechen lernten
Der Linguist und KI-Forscher Luc Steels zeigte sich überzeugt, dass seine Roboter, wenn sie sich fortlaufend weiter trainieren, in 10 bis 20 Jahren eine Sprache entwickeln könnten, die die gleiche Komplexität wie eine natürliche Sprache besitzt.
- Detlef Borchers
Ehe die Universität Bielefeld gegründet wurde, entstand in Bielefeld vor 40 Jahren das Zentrum für interdisziplinäre Forschung. Heute ist es die älteste Einrichtung in Deutschland, an der Forscher über alle Fachgrenzen hinweg zusammenkommen und fächerübergreifende Themen diskutieren. Zum Geburtstag des ZIF referierte der Linguist und KI-Forscher Luc Steels über seine Roboter, die seiner Ansicht nach in 10 bis 20 Jahren eine eigene Sprache entwickeln werden und uns damit Hinweise liefern, wie der Mensch das Sprechen lernte.
Luc Steels, der seit 1996 das Computerlabor von Sony in Paris leitet, hatte das ZIF als Linguistiker im Jahre 1972 kennengelernt. Danach studierte Steels am MIT Computer Science und wandte sich der Erforschung der Künstlichen Intelligenz zu. Mit Experimenten von QRIO-Robotern fusioniert er beide Forschungsstränge. Dabei werden diese Roboter, die visuell und akustisch stereoskop ihr Umfeld erfassen können, als "Agenten" mit einfachen kognitiven Fähigkeiten, Gesten und Interaktionsmustern programmiert und entwickeln so eine eigene Sprache. Im Vortrag demonstrierte Steels, wie sich Roboter über einen gelben Ziegel "unterhalten" und selber Begriffe für einen runden blauen Ball entwickelten. Er zeigte sich überzeugt davon, dass seine Agenten, wenn sie sich fortlaufend weiter trainieren, in 10 bis 20 Jahren eine Sprache entwickeln könnten, die die gleiche Komplexität wie eine natürliche Sprache besitzt.
Den wissenschaftlichen Hintergrund von Steels Forschungen bilden unterschiedliche Hypothesen, wie die Sprache auf dem Entwicklungsweg vom Affen zum Menschen entstanden sein könnte. Eine dieser Hypothesen geht von der Annahme aus, dass Sprache eine allen Menschen angeborene Fähigkeit ist und es deshalb eine Universalgrammtik gibt, auf die Menschen zurückgreifen. Gegen diese Hypothese haben Luc Steels und sein Team die Roboterpopulationen in Stellung gebracht. Sie sollen beweisen, dass die soziale Interaktion in Zusammenspiel mit kognitiven Fähigkeiten ausreicht, um eine Sprachentwicklung in Gang zu bringen. Im voll besetzten Auditorium des ZIF entwickelte sich im Anschluss an Steels Ausführungen eine lebhafte Debatte, ob diese Form der Beweisführung funktionieren kann. Was ist, wenn schon die Programmiersprache der Roboter mit Zügen einer Universalgrammatik infiziert sein könnte? (Detlef Borchers) / (jk)