Von der Idee zum Geschäft: Reality Mining

Die US-Firma Sense Networks will mittels detaillierter Verbraucherprofile aus Bewegungsdaten das Marketing revolutionieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 40 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Niels Boeing

Was als eine von vielen vollmundigen Forschungsideen begann, entwickelt sich zunehmend zu einer kommerziellen Datendienstleistung, die es in sich hat: das "Reality Mining". Aus den Bewegungsdaten von Mobilfunknutzern sowie allgemeinen demografischen und ökonomischen Daten erstellen Firmen wie Sense Networks aus New York oder Path Intelligence aus Portsmouth inzwischen detaillierte Verhaltensprofile von Verbrauchern, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 5/09 (seit dem 17.4. am Kiosk oder portokostenfrei online zu bestellen).

Sense Networks etwa hat in den vergangenen drei Jahren dank Abkommen mit Netzwerkbetreibern, Datenmaklern und Taxifirmen mehrere Milliarden Datensätze angehäuft. Ein Basisdatensatz besteht aus Ortskoordinaten, Datum und einer nach Firmenangaben anonymen Identifikationsnummer, die einer konkreten Telefonnummer zugeordnet ist. Diese lassen sich mit weiteren Daten verknüpfen. Aus den Datensätzen werden zunächst mit speziell entwickelten Algorithmen die Bewegungsmuster von Millionen Menschen vor allem in den amerikanischen Ballungsräumen New York, Houston, Chicago und San Francisco verglichen und daraus sogenannte Mobilitätsgraphen für Verbraucher und bestimmte Orte errechnet.

Alex Pentland, Informatiker am Massachusetts Institute of Technology und einer der Gründer von Sense Networks, vergleicht das Reality Mining mit einer Röntgen-Analyse der Gesellschaft. "Wir müssen so gut wie nichts über eine Person wissen, aber wenn wir ihre Signale an die Umgebung beobachten, können wir mit erstaunlich hoher Treffsicherheit vorhersagen, ob jemand in einer Gruppe von Kollegen mehr Autorität besitzt, ob er etwas kaufen wird oder wie die Verhandlungen um eine Gehaltserhöhung ausgehen werden", sagt Pentland. Sowohl Sense Networks als auch Path Intelligence – das wegen des strengeren britischen Datenschutzes weniger Daten nutzen kann als Sense – bieten ihre Analysen inzwischen als Dienstleistung für Banken, Eisenbahngesellschaften oder Flughafenbetreiber an.

Langfristiges Ziel sei laut Pentland eine Art Super-Telefonbuch für die Gesellschaft von morgen, in der alle Menschen nach "Verhaltens-Postleitzahlen" sortiert sind. Unternehmen von Banken über den Einzelhandel bis hin zu Bars und Restaurants sollen mit Hilfe solcher Verhaltensprofile bald in der Lage sein, ihr Marketing kundengenau zu automatisieren.

Der Technology-Review-Ausgabe 5/09 liegt eine CD mit vier Sciencefiction-Storys als Hörbuch bei. (nbo)