Was war. Was wird.
Wer immer nur nach digitalen SprenghĂĽtchen sucht, der hat so bald seine ganz eigenen Ausfallerscheinungen, befĂĽrchtet Hal Faber, der auch nicht mehr an das Gute in Digitalien glaubt, BND hin, terroristische Blackberrys her.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** In dieser Woche hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble alle Register gezogen, von der schlichten Drohung bis zum adrett eingekleideten Götz-Zitat, wenn das BKA-Gesetz nicht vor Weihnachten kommt oder eben gar nicht mehr zustande kommt. Ebenso passend wie bar jeder Kenntnis assistiert ihm Kanzlerin Merkel, die heute ihre Empörung bekannt machen lässt. Vielleicht schreit sie auch ihre Empörung heraus, in ihrem Podcast. Das ändert nichts daran, dass es sehr wohl einen großen Unterschied gibt zwischen vereinzelten Landesgesetzen und der bundesweiten Super-Polizei namens BKA. Ebensowenig ist ohne das BKA-Gesetz Deutschland ein unsicheres Land, wie Schäuble in der Sternstunde des Bundesrates zugeben musste. Und nachdem die SPD ihren Genossen Experten ausgetausst hat, ist die Partei auf ihrem Weg nach unten geschmeidiger denn je geworden, zur Freude des Regierungspartners. Wäre da nicht der kleine Versprecher von der Informationskontrolle, könnte unser Innenminister das Bild einer heilen Welt pinseln, die nur von der Schäublation bedroht ist.
*** Wie Informationskontrolle früher funktionierte, kann man in hübsch bebilderten Häppchen lesen, wie Informationskontrolle heute begründet wird, in diesem beschlagnahmten Blog: Mit jedem Klick steigt das Ranking, wird aus dem Journalist ein verbrecherischer Verlinker – oder muss es verlinkender Verbrecher heißen? "Laut KHK D.... spricht ein hohes Ranking der Seite bei der Suchmaschine www.goggle.de dafür, dass der Inhaber bzw. Verantwortliche gezielt Interessenten auf dieses Thema und die entsprechenden Seiten aufmerksam machen will." Thema ist übrigens die Sprengchemie. Und Goggle ist das Beweismittel. Bleibt nur die Frage, wie dann die Bande der Suchmaschinenoptimierer bezeichnet werden muss. Hersteller digitaler Sprenghütchen?
*** Noch haben wir die beruhigende Gewissheit, dass das BKA mit seiner umfassenden Palette von Lausch- und Suchmaßnahmen noch nicht losstürmen kann, doch dafür haben wir einen Verfassungsschutz, der nicht nur das Ranking auf Goggle beobachtet. Land für Land wird die Truppe aufgerüstet, weil jeder Landeschef ein Internet-Kompetenzzentrum haben möchte. Der technische Aufwand ist groß, berichtet die tageszeitung: "Kern des Internet-Zentrums ist ein Großraumbüro, in dem sechs Techniker und wechselnde Fachleute sitzen. Die Techniker sollen etwa dafür sorgen, dass die Beamten nicht schon anhand ihrer IP-Adresse als Verfassungsschützer erkannt werden. Die Fachleute können an einem neuen Plasmabildschirm gemeinsam Dokumente und Videos analysieren." Sechs Techniker für die Verschlüsselung oder Verschleierung von IP-Adressen zeigen schon, wie schwierig diese Technik ist, von der der gemeine Bundesbürger die Hände lassen soll. Auch das ist nämlich ein Sprenghütchen für sich und im Zeitalter der Vorratsdatenspeicherung gar nicht gerne gesehen.
*** Stimmen die britischen Berichte, so hatten die Terroristen von Mumbai ihre Blackberries dabei. Das sind nicht nur besonders sichere Geräte, die einem Präsidenten nicht im Stich lassen. Nein, sie taugen auch als Reaktionsterminals, gewissermaßen in Steigerung des umgedrehten CNN-Effektes. Denn auch die todesbereiten Terroristen wollen unterrichtet werden, wie ihre Aktionen in der Weltöffentlichkeit ankommen, an dem grausig-epochalen Tag. Informationskontrolle ist eben alles, auch für die ausschwärmenden Horden zorniger junger Männer, die in Indien Rache übten. Was den einen Trooptube ist den anderen Youtube. Hier haben die wirklichen No-Future-Kids ihre Future.
*** BKA, Verfassungsschutz und Terror, da war doch noch was? Richtig, wir haben ja noch den BND, den Dienst, in dem 3/4 der Mitarbeiter zum militärischen Nachrichtenwesen der Bundeswehr gehören und im Venagua-Verbund ihr eigenes, höchst geheimes Bundesgoogle füttern. Besagter BND brachte in dieser Woche die reife Leistung fertig, das Datensammeln im Irak als Zusammenführung militärisch bedeutsamer Zieldaten ohne unmittelbare Bedeutung für die offensive Kriegsführung zu schildern. Da wurde also ein vom BND ausgekundschaftetes Offizierscasino von der US-Luftwaffe bombardiert. Einfach so, wie die tatortabhängige Feldermittlung nach einem Sprengstoffanschlag im Kosovo einfach so zur Verhaftung und Freilassung von BND-Agenten führte. Wie heißt es so schön auf der Startseite? "Bei uns stehen alle Sinne auf Empfang", komplett mit der Begründung: "Die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes ist die Grundlage für eine Informationsüberlegenheit, die wiederum Basis einer Entscheidungs- und Wirkungsüberlegenheit ist." Alles andere ist ohne kausalen Zusammenhang.
*** Nun sind Regierungs- und Militärapparate nicht die einzigen Institutionen, die von der Kommunikationsherrschaft als Basis der Feldüberlegenheit schwärmen. Seit mehreren Wochen verfolgt diese Kolumne die Anstrengungen eines Fußballverbandspräsidenten, den Ball nicht flach zu halten, sondern möglichst hoch in den Medienhimmel zu dreschen. Zum Beispiel mit einer Pressemeldung, die wichtige Details vergaß und daher mit einer Verfügung korrigiert werden musste. Nun soll es weitergehen vor Gericht, befindet Dr. Theo Zwanziger, mittlerweile vom "unglaublichen Demagogen" per Gerichtsschreiben zum "unglaubwürdigen Demagogen" promoviert. Wie die Kommunikationsherrschaft von Dr.dem.dem. Zwanziger funktioniert, konnte man prompt in der Zeitung für kluge Köpfe nachlesen. Aus der in einem Blog-Kommentar geschriebenen Charakterisierung "unglaublicher Demagoge" wird eine "Internet-Tirade". Natürlich ist das alles nur auf klugem Papier nachzulesen, weil es über die Internet-Tirade heißt: "Hätte sie wenigstens in einer Zeitung gestanden, dann stimmte wenigstens die Fallhöhe". Pressefreiheit scheint offenbar nur die Freiheit des gedruckten Wortes zu sein. Oder sollen wir das gleich auch noch auf die FAZ einschränken, weil sonst die Fallhöhe in Gefahr ist?
*** Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir zum Mittagsessen? Das sind frei nach Douglas Adams die drei großen Fragen, die die Menschheit bewegen. In dieser Woche ist die vierte Frage hinzugekommen: Was lesen wir eigentlich? Darauf gibt es eine Antwort, die jeder Blog, jeder Kulturreport und natürlich auch der maßgebliche Nachrichtenticker für galaktische Anhalter meldete: Elke Heidenreich liest im Internet. Die erste Folge ist ganz ordentlich geworden: Elke Heidenreich, etwas geliftet, klappt ihr Netbuch, einen rosafarbenen Amilo Mini, auf und stänkert etwas herum. Wuff, gesellt sich in einer Parfümwolke ihr Neffe Campino hinzu, Frontman beim Männerlifestylemagazin Chip, und schon geht es zur Sache. Wenn die Moderatorin mit der ISBN-Nummer 90-62-93 an die Grenzen ihres Technikverständnisses stößt, ist immer ein Mann da, der auf große Möpse steht, lautet die beruhigende Message dieses tollen Internet-Formates. Wer interessiert sich da schon für den Kaiser von China?
Was wird.
Wie gemeldet, tagt der Hackerkongress in Berlin unter dem Motto "Nothing to Hide": Es gibt nichts zu Verstecken im hübschen Berliner Kongresszentrum, pardon, beim Meet the Style. Jedenfalls ist das Motto sprechender als der Polizeikongress am gleichen Ort, der sich für das Motto "Prevention: Principles, Strategies and Technology" entschieden hat. Man stelle sich vor, die beiden Organisationen würden einfach mal das Motto tauschen: Eine offene, kommunizierende Polizei hier, und ein Hackerkongress dort, der lehrt, wie man ohne Inanspruchnahme von 6 Polizeitechnikern seine Privatsphäre vorbeugend sichern kann. Aber man kann nicht alles haben. Das drückt das Motto der nächsten Re:Publica aus, die sich vom Blogger-Treff zum einem dieser Web-2.0-Festivals wandelt und unter dem Motto Shit Happens antritt. Aufgrund zahlreicher Werbekooperationen wurde das Motto im besten Neusprech zu "Shift Happens" veredelt, komplett mit einer Pre:Publica in Hannover zur CeBIT. Verglichen mit dem edlen Weltwirtschaftsforum (Motto: Fundamental Reboot) hat Shit Happens gerade in Berlin eine Menge Bezüge beim "wichtigen Termin der IT-Branche". Nur die Kunst schafft es nicht, die Parole kurz und knackig zu halten: After the Crash we need new Values, das ist schon fast zu lang für die Generation Twitter. (Hal Faber) / (jk)