4W

Was war. Was wird.

Spam, Spam, Spam und noch einmal Spam - Hal Faber feiert eine kulturelle Leistung von gigantischen Ausmaßen: Übergeben gilt nicht, auch nicht bei Berichterstattung über so manch andere informationstechnisch und politisch geprägte Ereignisse.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 45 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Make Love Hard and Strong! Saug dir einen! Viel Money in mickriger Zeit ..." Heute öffnet jeder Leser dieser Wochenschau klein geratener Gemächte zur Feier des Tages bitte mal seinen Spam-Folder und schaut nach, was im Angebot ist. Potenzmittel, Casino-Gutscheine, billige Replica-Uhren, da fehlen eigentlich nur die aktuellen Steuer-Wahlsversprechen deutscher Politiker und das Gebettel  kunstsinniger deutscher Verleger um Suchmaschinen-Viagra, dann ist der Schwachsinn komplett. Heute vor 72 Jahren stellte die Hormel Foods Cooperation ein neues Produkt vor: Spam. Der glückliche Gewinner eines Preisrätsels erhielt 100 Dollar für den Namen, der offiziell "Shoulder of Pork And Ham" bedeuten soll – doch böse Zungen lästerten schon 1937, dass "Something Posing At Meat" die treffendere Bezeichnung für das Dosenfleisch ist.

*** Noch böser ist die Interpretation als "Spare Parts Animal Meats", bei der Menschen schlecht wird wie in einem zurückgezogenen Werbespot von Microsoft. In diesem übergibt sich eine Ehefrau nach dem Betrachten einer Spammer-Seite, ihr Mann rutscht auf der Kotze aus und bekommt die letzte Würgung serviert. Das war wohl zuviel des Guten. Warum sollte man sich auch übergeben, schließlich ist das "hawaianische Steak" eine echte E-Büchse für hart arbeitende Menschen. Wirklich schlimm wurde es mit dem Spam, als eine völlig humorlose Truppe von Briten, umjubelt von Wikingern, versuchte, ihr Frühstück zu bestellen. Das Resultat kennen wir: Spammen ist im Deutschen ein Verb geworden, wie spammare im Italienischen. Feiern wir Spam, Spam, Spam und noch einmal Spam: Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Spam eine kulturelle Leistung ersten Ranges ist, durch die wir endlich wissen, was Frauen wirklich wollern. Man denke nur an den besonders schweineschultrigen phishigen Spam, der dafür sorgen wird, dass ahnungslose Hawaianer an der Kinderpornosperre aufschlagen. Statt Gliedverlängerung gibt es Zugangserschwernis zu den Servern auf Haiti, Jamaica und Santa Lucia.

*** Das Spam und Sperren zusammenhängen, zeigt die einfache journalistische Recherche. Man nehme die Piratenpartei, die gerade ihren Parteitag abhält, suche auf ihrer Website nach dem Begriff Spam und wird fündig. Dann gibt es noch diesen kinderpornografiebesitzverdächtigen Bundestagspiraten, der Verfassungsbeschwerde gegen das Zugangserschwernisgesetz eingelegt hat. Klar wie Klosbrühe! Läuft so journalistische Recherche ab? Offenbar, wenn man den versammelten Unsinn der vergangenen Woche liest, von der Wahl der Kinderpornografie als Exerxierfeld neuer Ideen, komplett mit Verweist auf Päderasten, die dereinst bei den Grünen im großen Bazar lebten. Das ist so einleuchtend wie der Dreh, den ein anderes Qualitätsblatt in den Verkauf von Pirate Bay bringt, durch den die Piratenpartei ihre "Pirate-Bay-Öffentlichkeit" verliert, dafür aber auf allerbeste "Geldwäsche" zurückgreifen kann. Nein, die dubiosen Vorgänge beim Käufer von Pirate Bay sind nicht gemeint.

*** Auf der Suche nach dem passenden Wort für diese verdrehte Aussagenlogik uninformierter Journalisten wenden wir uns der Agnotologie zu, der Wissenschaft von der Produktion von Ignoranz. Das ist die höhere Stufe von FUD. Einfach gesagt kommt in der Wissengesellschaft die Produktion von Nichtwissen gleich nach der Zensur. "Zweifel ist unser Produkt" schrieben die Leute, die im Auftrag der Tabakindustrie die Validität von Studien zu den schädlichen Folgen des Rauchens bezweifelten. Dass die gleichen Menschen später Studien über den Klimawandel bezweifelten und damit gut vernetzt erfolgreich waren, obwohl völlig fachfremd, das gehört zu den überraschenden Erkenntnisse der Agnotologie-Forscher. Apathie, Desinformation, Dummheit, Geheimhaltung, Glauben, Vergesslichkeit und Zensur bilden ein hübsches Instrumentarium, wie man sehr schön an den aufgeregten Artikeln über Piraten beobachten kann. Darauf einen Tocotronic.

*** Aufklärung tut not. Beginnen wir mit den echten Piraten: Die Behauptung, dass ihre Schiffe erste kleine Republiken im Meer der Monarchien waren, steht auf extrem wackeligen Füßen, ist mehr eine fromme Legende. Ob sie wirklich ein Schrittmotor der freien Marktwirtschaft waren und das Aufbrechen verkrusteter Märkte förderten, mag einer wie Franz Böni schreiben, dessen Vorfahren väterlicherseits Piraten waren, die mit fetter Geldkruste in die Schweiz einwanderten. Kommen wir zu den politischen Piraten von heute: Sie sind keine Komplizen der Raubkopierer, sondern hassen das Digital Rights Management. Die Analogie zum Umgang mit einem Buch nach dem Kauf beim Händler mag der Einsicht dienen, dass die Forderung nach einfachen Modellen nicht Enteignung lautet, sondern die Zukunft des Buches gefragt ist:

Der freundliche Buchhändler klärt Sie darüber auf, dass Sie das Buch an maximal drei Familienmitglieder weitergeben können, nicht aber an andere Verwandte, Freunde oder Bekannte. Darüber hinaus können Sie das Buch noch nicht auf dem Weg nach Hause in der U-Bahn lesen, weil Sie es erst über eine kostenfreie Hotline registrieren müssen. Letztlich bekommen Sie den Hinweis, dass das Buch mit einem neuen Spezialdruckverfahren hergestellt wurde, das das Kopieren auf Fotokopierern unterbindet. Dummerweise können Sie das Buch daher nicht mehr bei besonders hellem Licht lesen ...

*** Bekanntlich will jede Generation ihren Kindern eine bessere Welt hinterlassen, nur gelingt das immer schlechter. Bologna und Bachelor ärgern die Älteren, während die Jüngeren und Aufstrebenden vom Satan Lebenslauf gepeinigt werden. Da beruhigt es nicht unbedingt, wenn eine vorbildhafte Politikerin ihren Lebenslauf "aus Platzgründen" einerseits kürzen und andererseits um die gleichlangen Zeilen ergänzen lässt, was ihre Hobbies sind: "Spiel, Sport und Spaß mit Mann, Sohn und Hund; Essen und Klönen mit Freunden." Das macht sie durchaus menschlicher, wäre da nicht ein Rechtsanwalt, der in ihrem Auftrag einen mit Archiv arbeitenden Journalisten rammt, weil dieser "nicht irgendein Blogger ist". Was bleibt, ist Trauer um Pina Bausch. Natürlich gibt es auch journalistische Lichtblicke, aus denen die nächste Generation lernen kann. Nehmen wir nur einen Freispruch aus dieser Woche, der freilich noch nicht rechtskräftig ist. Da hatte ein Journalist eine Bombenbauanleitung online gestellt, was ihm prompt einen Entzug seiner brandgefährlichen Rechner einbrachte.

Was wird.

Oh schöne, heitere Sommerzeit, wenn die Server knallen und der Leser zum Dichter reift:

Ich hoff, die Redaktion ist noch die alte,
bringt Meldungen, heiss und kalte,
und keine political correcte shyce
auf den Servern von Heise

Solange noch die Server tragen, die Gelder in der Kostenloskultur strömen wie der Schweiß auf die Tastatur, wird natürlich weitergemacht, auch wenn erhöhte Terrorgefahr droht, auf dass wir alle bis zum letzten Server vor Angst erstarren. Der Unsinn am Hindukusch geht verstärkt weiter, deshalb weichen die Taliban großflächig aus.

Weiter geht es hier mit dem Sommerrätsel. Wie das Jubiläums-WWWW steht die Ausgabe des traditionellen Lochfüllers ganz im Zeichen von AAL, andere arbeiten lassen. Wer schöne Hardware oder Software-Rätsel vorschlägt, dabei die Wetware als dritte Kategorie nicht ignoriert, der schicke seine Vorschläge.

Ursprünglich war geplant, das Rätsel zum 40. Geburtstag von Unix diesem System und seinen Varianten zu widmen. Denn am 1. August 1969 begann der Monat, in dem das erste "Unics" entstand, soooo alt, dass es nicht mehr rekonstruierbar ist. Ken Thompson schrieb in seinen Erinnerungen:

Bonnie took the kid to visit my family, and she was gone a month in California. I allocated a week each to the operating system, the shell, the editor and the assembler, to reproduce itself, and during the month she was gone, it was rewritten.

Den Vorwurf, dass auf den Servern von Heise einseitig gerätselt wird, ersparen wir uns einfach. Alles ist erlaubt, nur das weitere Rätselraten über Michael Jackson, das ersparen wir uns wirklich, ja? (Hal Faber) / (jk)