Wissenschaftler untersuchen "Geheimnis der Aerosole"

Die kleinen Partikel sind ein entscheidender Faktor fĂĽr die Vorhersage des Klimas. Doch je mehr Forscher darĂĽber in Erfahrung bringen, desto unĂĽbersichtlicher wird die Datenlage.

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Von
  • Ben Schwan

Was wäre, wenn es sie nicht gäbe? Das Viren-Mutterschiff zwei Reihen vor uns im Bus könnte keinen Schnupfen verbreiten, unsere Häuserwände würden noch in hundert Jahren aussehen wie frisch verputzt, und das Frühjahr wäre auch für Allergiker eine erfreuliche Jahreszeit. Vor allem aber: jeden Tag herrliches Wetter! Aerosole, die winzigen Passagiere des Windes, scheinen auf den ersten Blick durchaus verzichtbar.

Spätestens nach ein paar Wochen purem Sonnenschein aber würden wir uns die zwischen einem Millionstel und einem Hundertstel Millimeter großen Partikel wahrscheinlich zurückwünschen. Denn an ihnen kondensiert der Wasserdampf in der Atmosphäre zu kleinen Tröpfchen – den Wolken. Die bringen nicht nur Regen, sondern können uns auch vor Sonnenstrahlung aus dem All schützen, indem sie das Licht dorthin zurückstreuen. Der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) nimmt für seine Prognosen an, dass diese positiven Auswirkungen der durch den Menschen verursachten Aerosole einem "negativen Strahlungsantrieb" von etwa minus einem Watt pro Quadratmeter entspricht. Doch genau solche Fakten sind wissenschaftlich bislang nur wenig untermauert, schreibt das Technologiemagazin Technology Review in einem ausführlichen Report zum aktuellen Stand der Aerosol-Forschung.

"Der kühlende Effekt der Aerosole ist aber nur eine Hypothese, die durch ein paar Computerspiele untermauert wird", sagt Jost Heintzenberg, Direktor des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung in Leipzig. Nach seiner Einschätzung sind die derzeitigen Klimamodelle so ungenau, dass die tatsächliche Auswirkung der Aerosole auch zehnmal so stark sein könnte wie vom IPCC angenommen. Genauso gut sei es möglich, dass sie in Wirklichkeit selbst einen Beitrag zur Erwärmung leisten, statt sie abzumildern. "Das ist eigentlich eine unerträgliche Situation", sagt Heintzenberg.

Seit Anfang der 90er-Jahre hat die Forschung an Aerosolen an Fahrt gewonnen. Und gerade in jüngster Zeit haben die daran beteiligten Wissenschaftler Erkenntnisse gewonnen, die an vielen als sicher angenommenen Vorstellungen rütteln. Neben der Modellierung im Computer und der Datensammlung in der Atmosphäre spielt dabei auch immer mehr die Simulation im Labor eine wichtige Rolle. Seit 2006 steht den Troposphärenforschern in Leipzig dazu sogar eine weltweit einzigartige Anlage zur Verfügung: ein Wolkenlabor, in dem sich die physikalischen Vorgänge simulieren lassen.

Der ganze Forschungsreport zu Aerosolen in Technology Review online:

(bsc)