Hintergrund: Neuordnung des UMTS-Marktes beginnt

Als sechs Telekommunikationskonzerne im August 2000 für jeweils mehr als acht Milliarden Euro eine UMTS-Lizenz ersteigert hatten, knallten die Sektkorken. Nun herrscht Katerstimmung.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Als sechs Telekommunikationskonzerne im August 2000 für jeweils mehr als acht Milliarden Euro eine UMTS-Lizenz ersteigert hatten, knallten die Sektkorken. Doch die Katerstimmung folgte. Telekom-Experten stellen die rosigen Aussichten des UMTS-Mobilfunks in Frage. Sechs Anbieter auf dem deutschen Markt hätten keine Überlebenschance, war schon seit längerem zu hören. Dass mit Quam jetzt ein Neuling unter den Mobilfunkbetreibern sein Geschäft erstmal auf Eis legt, ist keine Überraschung.

"Sechs UMTS-Anbieter werden betriebswirtschaftlich nicht rentabel arbeiten können", ist sich Torsten Gerpott, Telekom-Experte von der Universität Duisburg, sicher. Einige würden sich aus dem Geschäft verabschieden, prophezeit er. Selbst für die vier etablierten Betreiber dürfte das Überleben nicht leicht sein. Nur die beiden Branchenführer T-Mobile und Vodafone D2, die derzeit den Mobilfunk-Markt mit rund 80 Prozent beherrschen, gelten als eine sichere Bank.

Ohnehin wurden den Neulingen Quam und MobilCom nur wenig Chancen eingeräumt, im UMTS-Geschäft dauerhaft zu bestehen. Auch wenn die spanische Telefonica Moviles, die zusammen mit der finnischen Sonera hinter Quam steht, offiziell noch beteuert, dass die Entscheidung, die Mobilfunkaktivitäten von Quam auf derzeitigem Stand einzufrieren, keinen endgültigen Rückzug aus dem UMTS-Geschäft bedeute, gilt der Schritt als Anfang vom Ende. Denn Telefonica und Sonera, die noch mit 45 Prozent an Quam beteiligt ist und der kein großes Interesse mehr am UMTS-Geschäft in Deutschland nachgesagt wird, scheuen offenbar die enormen Kosten für den Aufbau des Geschäfts.

Über das Netz des drittgrößten deutschen Mobilfunkbetreibers E-Plus bietet Quam seit Jahresanfang GSM-Dienste an. Für die rund 200.000 bestehenden Kunden ändert sich vorerst nichts, sie können wie bisher telefonieren. Neue Verträge werden aber nicht mehr abgeschlossen. E-Plus soll nach bisherigen Verträgen für das Roaming-Abkommen mit dem Neuling bis 2006 rund 660 Millionen Euro kassieren. "Wir kennen die Pläne von Quam nicht", sagte Pressesprecherin Catrin Glücksmann, "haben aber gültige Verträge".

Ein Fragezeichen steht auch hinter den Plänen, wie es mit dem gemeinsamen Ausbau der UMTS-Netze weitergeht. Im vergangenen Jahr hatte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post eine begrenzte Zusammenarbeit der UMTS-Betreiber zugelassen. E-Plus arbeitet mit Quam zusammen und beziffert die Einsparungen dadurch auf gut 700 Millionen Euro.

Spätestens im nächsten Jahr wird Klarheit bestehen: Bis Ende 2003 müssen die UMTS-Anbieter laut Lizenzbedingungen den Netzausbau soweit vorangetrieben haben, dass jeder von ihnen 25 Prozent der Bevölkerung erreichen kann. Entweder hat Quam bis dahin das Ziel noch erreicht oder die Lizenz ist weg. Dass Telefonica jetzt die Notbremse zog, ist für Ralf Hallmann von der Berliner Bankgesellschaft ein klares Zeichen für den langsamen Abschied des Unternehmens aus dem UMTS-Geschäft. Eine Summe von 8 Milliarden Euro habe das Unternehmen dann verbrannt, sagt der Telekom-Analyst.

Diesen Ärger hätte sich Telefonica sparen können. Und Hallmann ergreift Partei für die Großen, auf die in der Vergangenheit immer wieder eingehackt wurde, weil sie die UMTS-Preise in der Auktion angeblich hochgetrieben hätten. "Quam hat es auch verdorben", sagt er. Offenbar haben die Spanier inzwischen erkannt, dass sie ohne einen Partner in Deutschland keine Chancen haben.

Nur machen die Lizenzbedingungen den Anbietern Kopfzerbrechen. Der Präsident der Regulierungsbehörde, Matthias Kurth, weist Forderungen der Branche zurück, die Bedingungen zu lockern und ein Zusammengehen der Unternehmen zu erleichtern. Jedem Bieter sei zum Zeitpunkt der Auktion klar gewesen, auf was er sich einlasse, betont Kurth. Wer die Bedingungen nicht erfüllt oder sich mit einem Wettbewerber fusioniert, muss die Lizenz zurückgeben -- umsonst.

Ein mögliches Szenario für Telefonica wäre eine Fusion mit der niederländischen KPN, die vor einigen Jahren noch unter einem anderen Vorstandsvorsitzenden gescheitert war. Telekom-Analyst Hallmann hält das jedenfalls nicht für ausgeschlossen, zumal die Spanier den erfolgreichen KPN-Internetdienst i-Mode gerne in Spanien einführen würden.

Drei bis maximal vier Unternehmen, so die Szenarien, könnten sich am Ende im UMTS-Geschäft durchsetzen. Die Marktführer T-Mobile und Vodafone D2 haben dabei die besten Aussichten. Im kommenden Jahr wollen die Anbieter den kommerziellen Betrieb aufnehmen. Die Entwicklung der Geschäfte ist auch abhängig von der Zahl der dann zur Verfügung stehenden Endgeräte.

MobilCom ist neben Vodafone D2 das einzige Unternehmen ohne einen Kooperationspartner beim UMTS-Netzaufbau. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hatte 2001 eine Zusammenarbeit zwischen den Anbietern teilweise gestattet.

Nicht statthaft ist in Deutschland der Handel mit UMTS-Lizenzen. Die Vergabebedingungen erschweren auch Fusionen der Anbieter untereinander. Schließen sich zwei zusammen, muss eine Lizenz zurückgegeben werden. Damit wären die acht Milliarden Euro auf einen Schlag verloren. Inzwischen werden Forderungen aus der Branche nach einer Lockerung dieser Vorschriften lauter.

Alle sechs UMTS-Lizenznehmer kämpfen mit Problemen

Quam: Das Konsortium von Telefonica Moviles (Spanien) und Sonera (Finnland) droht, als erstes aufzugeben. Zwar wird nach wie vor beteuert, dass an eine Rückgabe der Lizenz nicht gedacht wird. Es sollen jedoch keine neuen Kunden mehr im bestehenden GSM-Netz geworben werden. Die bisher 200.000 Kunden telefonieren wie gewohnt.

Mobilcom: Der einstige Börsenstar steckt in einer tiefen Krise. Der seinerseits hochverschuldete Großaktionär France Telecom stellt die vereinbarten Milliarden-Investitionen in den Aufbau eines UMTS-Netzes in Frage. Im Streit nahm der charismatische MobilCom-Gründer Gerhard Schmid seinen Hut. Ursprünglich wollte MobilCom mit seinen derzeit fünf Millionen Mobilfunk-Kunden unter den ersten UMTS-Anbietern sein und sich so einen Startvorsprung sichern.

E-Plus: Der drittgrößte deutsche Mobilfunkanbieter mit seinen rund 7,5 Millionen Kunden hat dem niederländischen Mutterkonzern KPN durch Abschreibungen von 13,5 Milliarden Euro einen Rekordverlust beschert. Zuletzt kam ein schleppender Start des Multimedia-Dienstes i-Mode -- eine Art Vorläufer von UMTS -- zu den Problemen hinzu.

T-Mobile: Der Mobilfunk-Tochter der Deutschen Telekom werden neben Vodafone D2 die besten Chancen beigemessen, das UMTS-Abenteuer zu bestehen. Allerdings hat die Telekom bereits mit einem Schuldenberg von 65 Milliarden Euro zu kämpfen, der US-Kauf VoiceStream muss noch aus der Problemzone geführt werden und der dramatische Kursverfall der T-Aktie senkt die Spielräume.

Vodafone D2: Die Tochter des nach eigenen Angaben größten Mobilfunk- Anbieters der Welt liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit T-Mobile um die Marktführerschaft in Deutschland. Beide haben mehr als 20 Millionen Kunden. Zumindest operativ gilt D2 profitabler als die Bonner Konkurrenz. Allerdings lasten auch auf dem britischen Konzern wegen der Übernahme von Mannesmann die Abschreibungen schwer: Im vergangenen Jahr machte Vodafone unter dem Strich einen Verlust von 13,5 Milliarden Pfund (21,2 Mrd Euro).

O2: Die schweren Verluste der früheren Viag Interkom und der hohe Kaufpreis für Übernahme der Mehrheitsanteile, der an E.ON gezahlt wurde, haben maßgeblich zur tiefen Krise des Mutterkonzerns British Telecom beigetragen. Das Milliarden-Engagement in Deutschland wurde mehrfach offen bedauert. Das ungeliebte Kind wurde schließlich mit der gesamten Mobilfunksparte abgespalten und versucht nun mit rund vier Millionen Kunden einen Neuanfang als O2. Angesichts der Verluste wurden im vergangenen Jahr in Deutschland 500 von 4000 Stellen abgebaut. (Peter Lessmann, dpa) / (anw)