Sparpaket für Rundfunkanstalten darf Grundversorgung nicht gefährden

Einschnitte bei den den öffentlich-rechtlichen Sendern, wie von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen in einem Sparprogramm vorgeschlagen, müssen sich immer am "Grundversorgungsauftrag" messen lassen.

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Von
  • Wolfgang Janisch
  • dpa

Der Streit um die Rundfunkgebühren ist in eine neue Dimension vorgestoßen. Nach der vergleichsweise konventionellen Debatte um ein Gebührenmoratorium nimmt sich das Sparpaket, das Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen den öffentlich-rechtlichen Anstalten verordnen wollen, wie der erste Schritt zum Umsturz aus. Peter Voß, Intendant des Südwestrundfunks, hat bereits mit Klage in Karlsruhe gedroht. Ob eine derart tief greifende Strukturreform vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Bestand hätte, ist ungewiss - Experten melden immerhin Bedenken an.

Denn die drei Ministerpräsidenten wollen mehr als nur ein wenig an der Gebührenstellschraube drehen -- sie wollen den ganzen Motor komplett überholen. Die ARD soll 16 ihrer 61 Hörfunkprogramme aufgeben, Arte und 3sat sollen zusammengelegt, Spartenprogramme umstrukturiert, Digital- und Internetangebote reduziert werden - der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sieht einen "Eingriff in die Programmgestaltungsfreiheit".

Richtig daran ist, dass das Bundesverfassungsgericht es den Anstalten frei stellt, auf welche Weise sie ihren Rundfunkauftrag erfüllen. Das Gebot der Staatsferne verbietet es der Politik, ins Programm hineinzuregieren. Doch darum geht es beim jüngsten Reformplan nicht. Um ihn in die Tat umzusetzen, müssten die Länder den Rundfunkstaatsvertrag und die entsprechenden Landesgesetze ändern -- was sie grundsätzlich dürfen. Der Staat könnte theoretisch sogar eine ganze Rundfunkanstalt abschaffen, sagt der Passauer Medienrechtler Herbert Bethge.

Allerdings müssen sich solche Einschnitte immer am "Grundversorgungsauftrag" der öffentlich-rechtlichen Sender messen lassen. Eine Verringerung der Programme oder eine Zusammenlegung von Sendern wäre vor diesem Hintergrund "nicht ohne weiteres unbedenklich", formuliert Bethge vorsichtig. Sein Frankfurter Kollege Thomas Vesting sekundiert: Die Länder wären bei der Gestaltung des Staatsvertrags nicht völlig frei, sondern "grundrechtlich gebunden".

Damit läuft die Diskussion auf die Frage zu, was "Grundversorgung" im Jahr 2003 eigentlich bedeutet. 1991 lautete die Definition des Bundesverfassungsgerichts ungefähr so: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen die Gesamtheit der Bevölkerung umfassend informieren und Meinungsvielfalt herstellen. Dafür erhalten sie eine Finanzierungsgarantie. Auf eine "Mindestversorgung" sind ARD und ZDF aber nicht beschränkt; auch nicht darauf, der privaten Konkurrenz die quotenträchtigen Zuckerstückchen der TV-Unterhaltung zu überlassen und sich mit dem teuren Bildungsprogramm zu begnügen.

Das dürfte auch heute noch gelten. Dennoch könnten sich die Akzente beim Thema Grundversorgung verschoben haben, merkt Vesting an: "Man muss sehen, dass ARD und ZDF in den letzten Jahren relativ expansiv agiert haben." Und die Karlsruher Richter sprachen bereits 1994 eine sanfte Mahnung aus, sich nicht auf ein allzu niederes Niveau einzulassen: Auf die Verwirklichung von Programmen, die für die Erfüllung des klassischen Rundfunkauftrags nicht erforderlich seien, habe der öffentlich-rechtliche Rundfunk "von Verfassungs wegen keinen Anspruch". Sollte es zu einem Karlsruher Verfahren kommen, müssten sich die Verfassungsrichter also möglicherweise mit der Frage befassen, ob teure Fußballprogramme, kostspielige Online-Angebote oder bunte Boulevardsendungen noch als originär öffentlich-rechtlich anzusehen sind. (Wolfgang Janisch, dpa) / (boi)