EU-Entscheidung zum Urheberrecht unter Zeitdruck

Der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des EU-Parlaments musste sein abschließendes Votum zur geplanten Urheberrechtsrichtlinie vertagen.

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Von
  • Tim Gerber

Der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des EU-Parlaments musste sein abschließendes Votum zur geplanten Urheberrechtsrichtlinie in der Informationsgesellschaft aus Termingründen auf die kommende Woche vertagen. Er wird sein endgültiges Votum für eine Plenarvorlage nun erst am kommenden Montag abgeben.

Dabei steht den Abgeordneten nur sehr wenig Zeit zu Verfügung, sich mit den vor allem von Seiten der Verwertungsindustrie an sie herangetragenen Änderungswünschen auseinanderzusetzen. Die Gremien des Parlaments haben laut Geschäftsordnung ganze drei Kalendermonate Zeit, bis sie ihre verbindliche Haltung der EU-Kommission und dem Ministerrat übermitteln müssen. Letzterer hatte sich in Sachen "Urheberrechte im Digitalzeitalter" volle 19 Monate gegönnt, um zu einem "gemeinsamen Standpunkt" seiner Mitgliedsländer zu gelangen, auf dessen Grundlage das Parlament nun innerhalb weniger Wochen beraten muss.

Man sei in dieser "hochkomplexen Angelegenheit" zu sehr ausgewogenen Ergebnissen gekommen, verteidigte ein Ratssprecher gegenüber heise online die lange Bearbeitungsfrist, und habe "auslegungsfähige" Formulierungen für die zwischen den Mitgliedsländern strittigen Punkte der Richtlinie gefunden. Genau dies wollen die Abgeordneten des für die Harmonisierung des Binnenmarktes zuständigen Parlamentsausschusses jedoch verhindern, dass auch noch nach Verabschiedung der Richtlinie jedes Mitgliedsland auf Grund von Auslegungsspielräumen sein nationales Urhebersüppchen kochen kann.

Vor allem der enorme Zeitdruck, unter dem die Abgeordneten dabei per EU-Verfassung stehen, ermöglicht es den Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie, großen Einfluss auf die gegenüber der Ratsvorlage eher skeptischen Abgeordneten zu nehmen. Anfragen von heise online um Stellungnahme wurden von einzelnen Abgeordnetenbüros unter dem Hinweis abgewiesen, man habe schon genug Lobbyisten angehört.

Im Büro des konservativen britischen Abgeordneten Lord Ingelwood (EVP) stapeln sich die Lobbyistengesuche auf zirka 30 Zentimeter. "Das ignoriere ich, so gut es geht. Wichtig ist mir die Harmonisierung der Urheberrechte", kommentierte der Lord gegenüber heise online.

Selbstverständlich wolle man die Provider zur Kontrolle und Verhinderung von urheberrechtswidrigen Datenübermittlungen zwingen, wann immer dies technisch möglich sei, führt der stellvertetende Ausschussvorsitzende Willy Rothley (SPD/PSE) aus. Er sehe darin keine Konflikt mit § 5 des deutschen Teledienstgesetzes, das Provider ("Zugangsvermittler") von der Haftung für vermittelte Inhalte freistellt. Es gehe hier um reine Unterlassungsansprüche, nicht um eventuellen Schadensersatz. Diesen Unterlassungsanspruch solle man Urheberrechtsinhabern gegen jeden, der ihrer Werke auch nur weiterleite, zugestehen.

Die gestern vorgelegte Kompromissvorlage des zuständigen Ausschussberichterstatters Enrico Bonelli muss wohl angesichts der 197 Änderungsanträge, die er zu einem Großteil einfach übergangen hat, als unzureichend bezeichnet werden. Das Parlament wird auf seiner Sitzung am 14. Februar seine Entscheidung über die Richtlinie treffen.

Sehr deutlich brachte der Abgeordnete Neil MacCormick die Unsicherheit der Parlamentarier zum Ausdruck: "Ich bin nicht sicher, ob es richtig wäre, dass ich, wenn ich mir von der Schottischen Nationalbibliothek eine Kopie von einem Artikel aus der TIMES über meine Familie machen lasse, nur deshalb Urheberrechtsabgaben zahlen soll, weil die Nationalbibliothek keine natürliche Person ist?"

Vorbild bei all dem sind eindeutig die Regelungen zum Copyright in den USA, das wurde in den Beratungen sehr deutlich. Privates Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke wird daher künftig EU-weit eingeschränkt werden. (tig)/ (cp)