Heiße Diskussion um Zahl der menschlichen Gene

Unterschiedliche Berechnungsmethoden ergeben stark abweichende Ergebnisse.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 93 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Florian Rötzer

Um die Komplexität des menschlichen Genoms ranken sich zahlreiche Spekulationen. Eine neue Sequenzierung durch Wissenschaftler von der Ohio State University, die in Kooperation mit Forschern von LabBook.com und des Ohio Supercomputer Center erfolgte, liefert nun neuen Diskussionsstoff: Sie kommen zu der Schätzung, dass das Genom vermutlich um die 65.000 bis 75.000 Gene enthalte.

Früher war man von 100.000 bis 140.000 Genen ausgegangen – was der "Bedeutung" des Menschen hinsichtlich seiner Komplexität, aber auch der Menge der 3,2 Milliarden Basenpaaren seines Genoms angemessen zu sein schien. Doch hatten Celera und das Humangenomprojekt diese Zahl mit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse zu Beginn des Jahres auf etwa 35.000 nach unten korrigiert – gerade einmal doppelt soviel wie bei der Fruchtfliege.

Die unterschiedlichen Ergebnisse gehen weitgehend auf die benutzten bioinformatischen Programme zurück, mit denen die DNA-Sequenzen ausgewertet werden. Nur etwa ein Hundertstel der DNA-Sequenzen sind Gene, der Rest ist vermutlich funktionslos. Die Wissenschaftler von der Ohio University weisen zu Recht darauf hin, dass die Probleme der Genomannotation, also der Bestimmung von funktionellen Einheiten der DNA, noch groß seien. Es werde noch viele Jahre dauern, eine genaue Kartierung mit hoher Qualität zu schaffen.

Um die Schwächen der Berechnungsverfahren zu mildern, verglichen die Wissenschaftler der Ohio University ihre Kartierung mit 13 unterschiedlichen DNA-, Protein- und EST-Datenbanken, während beim Humangenomprojekt und Celera jeweils nur zwei Sequenzen abgeglichen wurden. Dabei werden gewaltige Rechenkapazitäten benötigt, da jeweils Millionen von Gensequenzen mit den 2.8 Milliarden Basenpaaren des menschlichen Genoms verglichen werden müssen.

Allerdings scheinen wiederum die Ergebnisse einer amerikanischen Forschergruppe des Joint Genome Institute, die in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science veröffentlicht worden sind, die Schätzungen des Humangenomprojekts und von Celera zu bestätigen. Die Wissenschaftler haben das menschliche Chromosom 19 mit den entsprechenden Regionen im Mausgenom verglichen. Über die bislang geschätzten 1.100 Gene hinaus konnten sie nur noch 100 weitere finden, woraus die Team-Leiterin Lisa Stubbs schließt, dass das menschliche Genom insgesamt doch nur etwa 30.000 Gene habe.

Die Wetten um die Zahl der menschlichen Gene, die seit Beginn des letzten Jahres abgeschlossen wurden (Wissenschaftler schließen Wetten ab auf die Zahl der menschlichen Gene), sind also noch nicht entschieden. Bislang wurden 165 Wetten eingereicht. Die Schätzungen liegen zwischen 27.000 und 150.000 Genen, der Mittelwert beträgt etwa 60.000, was wiederum die Ergebnisse der Wissenschaftler aus Ohio bestätigen könnte.

Mehr in Telepolis: 30.000 oder 70.000 Gene?. Siehe auch: Gendatenbanken versinken in der Datenflut. (fr)