Provider lässt Spammer gewähren

Ein Beschwerdeführer kann in aller Regel vom Provider eines Spammers nicht verlangen, dass dieser seinen Kunden in die Pflicht nimmt oder gar dessen Verträge kündigt.

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Von
  • Holger Bruns

"Falls Sie keine weiteren Infos von uns erhalten möchten oder Sie sich nicht selber bei uns eingetragen haben, können Sie sich wieder austragen." So steht es in Spam-Mails der Hamburger "Direkt-Werbung und Media-Service", die für die Site gratisvorteil.de werben. Das sollte man vorsichtshalber sein lassen, denn wer sich austrägt, hat oft verloren. Das Gesuch verrät dem Spammer die Gültigkeit der angeschriebenen E-Mail-Adresse. Die Folge ist oftmals noch mehr Spam.

Üblicherweise beschweren sich aktive Spam-Gegner daher lieber beim Provider des Spammers, sofern dieser wie im vorliegenden Fall eindeutig zu ermitteln ist. Die meisten Provider dulden keine Spammer unter ihren Kunden und drohen für den Fall des Versendens unerwünschter Massen-Mails mit der fristlosen Kündigung der Geschäftsbeziehung. Anti-Spammer setzen mit ihren Beschwerden darauf, dass diese Provider ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auch durchsetzen.

Im Falle von gratisvorteil.de tritt als Provider allerdings die Hamburger Firma IPHH auf, die sich als "Internet Port Hamburg GmbH" bezeichnet. Die IPHH ist für Spammer ein echter Glücksgriff, denn ihre AGB sehen keine Sanktionen gegen Kunden vor, die unerwünschten Werbemüll versenden. Pflichten werden dem Kunden allenfalls für seinen Webauftritt auferlegt, mit keinem Wort jedoch ist vom E-Mail-Dienst die Rede: "Der Kunde darf mit Form, Inhalt oder verfolgtem Zweck seiner Internetpräsenz nicht gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen", schreibt die IPHH über die Pflichten ihrer Kunden. Allerdings hält man sich ein Hintertürchen offen: "IPHH übernimmt insoweit keine Prüfungspflicht und wird vom Kunden von jeglichen Ansprüchen Dritter freigestellt, die aus der Verletzung dieser Pflichten resultieren können."

Der Provider könnte Spam natürlich als Verstoß gegen die guten Sitten ansehen. Dies tut er nach Auskunft seines Support-Mitarbeiters Johannes Mattes aber nicht. "Das haben wir öfter mal", sagte er am Telefon. "Dagegen können wir leider nichts machen." Auch Tausende von Beschwerden könnten seine Firma nicht dazu bringen, per Spam beworbene Webauftritte abzuklemmen, teilte er mit. "Das würden wir nicht können. Wir sind ein reiner Access-Provider." Dazu befragt, ob die AGB von IPHH den Kunden verbieten zu spammen, fügte er hinzu: "Nein, unsere Geschäftsbedingungen verbieten keinen Spam." Die Bemerkung, IPHH könne so schnell auf internationalen Blocklisten landen, ließ ihn kalt: "Dagegen können wir nichts tun."

Obwohl angesichts dieser Worte so mancher Anti-Spammer die Faust in der Tasche ballt, ist IPHH in rechtlicher Hinsicht sogar auf der sicheren Seite. Nach Auskunft des Rechtsanwalts Thorsten Feldmann von der Berliner Kanzlei jbb-Rechtsanwälte, berufsmäßig vertraut mit den besonderen Rechtsproblemen im Internet, kann ein Provider nur in äußersten Ausnahmefällen rechtlich in die Pflicht genommen werden.

Die Details regelt das Teledienstegesetz (TDG). Dessen Paragraph 9 beschäftigt sich mit der Zuständigkeit des Diensteanbieters. Dieser ist danach für fremde Informationen, die über sein Netz vermittelt werden, nicht zuständig, wenn er sie weder veranlasst noch ausgewählt oder verändert hat. Das gilt freilich nicht, wenn der Diensteanbieter mit einem Kunden zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Diese kollusive Zusammenarbeit, um etwa mit Spam-Runs gemeinsam Kasse zu machen, muss aber gerichtsfest nachgewiesen sein.

Fazit: Ein Anti-Spammer oder Beschwerdeführer kann in aller Regel vom Provider eines Spammers nicht verlangen, daß dieser Provider seinen Kunden in die Pflicht nimmt oder gar dessen Verträge kündigt. Und das, obwohl deutsche Gerichte überwiegend davon ausgehen, daß Spam rechtswidrig ist: Spam verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht und ist in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht meist als unlauter zu bewerten. (Holger Bruns) / (hob)