Britische Volkszählungsdaten von 1901 online

Großbritannien will mit der Freigabe der Volkszählungsdaten die Online-Ahnenforschung erleichtern; hierzulande ist ein Zugriff auf entsprechende deutsche Datenquellen gesetzlich nicht zulässig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 26 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Grote

In Großbritannien sind seit Mittwoch dieser Woche Volkszählungsdaten aus England und Wales von 32 Millionen Einwohnern aus dem Jahre 1901 für jeden online abruf- und recherchierbar. Allerdings brach die Datenbank bereits kurze Zeit nach Eröffnung des Zugangs zusammen, da der Server dem Ansturm von mehr als einer Million gleichzeitig interessierter Surfer nicht gewachsen war. Da derartige Quellen nach britischem Recht erst 100 Jahre nach ihrer Erhebung öffentlich gemacht werden dürfen, kann nun erstmals auf Personendaten aus dem 20. Jahrhundert zugegriffen werden. Das Public Record Office (PRO) reagiert damit auf das steigende Interesse in der Bevölkerung, online von zu Hause aus mehr über seine Familiengeschichte in Erfahrung bringen zu können. Immer mehr Briten möchten offensichtlich lieber über das Internet herausfinden, wo der eigene Name herkommt, wer die Vorfahren waren und was sie taten, anstatt in den Ämtern vor Ort in alten verstaubten Unterlagen suchen zu müssen.

"Das Einscannen der ursprünglichen Umfragebögen und die Anfertigung eines entsprechenden Index zur effektiven Suche nach Personen in der Datenbank hat viel Arbeit erfordert", meint Census-Online-Managerin Margaret Brennand vom PRO, aber nun hätten die Ahnenforscher auf einen Mausklick hin wesentlich mehr Informationen für ihre Arbeit zur Verfügung. Zwei Jahre lang hat das Datenunternehmen QinetiQ gebraucht, um Personen-Informationen über Namen, Geburtsdaten, Ort, Beruf bis hin zum Geisteszustand online abrufbar zu machen.

Vor allem Personen aus Übersee haben es nun weitaus einfacher, ihre Vorfahren aus England und Wales näher zu erforschen: "Es gibt viele Interessierte in USA, Australien und Neuseeland, die ihre Familienhistorie erforschen wollen. Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass die Suche nach historischen Familiendokumenten die drittgrößte Aktivität im Internet ist", erklärt Brennard. Die Suche in den Volkszählungsdaten ist bei Census Online zunächst kostenlos, das Herunterladen eines kompletten Fragebogens kostet allerdings 75 Pence (etwa 1,25 Euro) pro Seite.

Erst kurz zuvor hatte das PRO Volkszählungsdaten von 500.000 Personen aus Norfolk aus dem Jahre 1891 versuchsweise online gestellt. Die Bedienoberfläche wurde von amerikanischen Genealogen auf der Konferenz der National Genealogical Society getestet, um deren Verbesserungsvorschläge zu berücksichtigen. Nachdem nun das umfangreiche Volkszählungsmaterial von 1901 online zur Verfügung steht, sollen auch frühere Umfragen bald folgen. Umfrageergebnisse aus den Jahren 1881 und 1891 sind bereits in Bearbeitung. Die Arbeit soll möglicherweise bis ins Jahr 1841 ausgeweitet werden. Ähnliche Initiativen sind zudem für Schottland geplant. Familienunterlagen aus dem 19. Jahrhundert sind bislang nur im Family Records Center in London einzusehen.

Neben Großbritannien sind lediglich in den USA alte Volkszählungsunterlagen einsehbar. Hierzulande ist ein Zugriff auf entsprechende deutsche Datenquellen gesetzlich nicht zulässig: "Solche Quellen wären für uns sehr wertvoll", betont Sascha Ziegler, Initiator und Betreiber des Anfang 1999 gegründeten deutschen genealogischen Webverzeichnisses Ahnenforschung.net gegenüber heise online. "Aber der Datenschutz in Deutschland ist hierfür zu streng", so der Ahnenforscher, der auch in nächster Zeit nicht mit einer Verbesserung rechnet.

Da ab 1876 personenbezogene Daten wie Geburts- und Sterbedatum von den Standesämtern verwaltet werden und diese nur bei berechtigtem Interesse herausgegeben werden dürfen, beschränken sich die Recherchebemühungen der Historiker auf die wenigen Drittquellen. Auch das Projekt kirchenbuch-virtuell.de wurde vom Bayerischen Landeskirchlichen Archiv aufgefordert, die bereits eingescannten Kirchenbücher mit wertvollen Informationen wieder von der Website zu nehmen, obwohl das Projekt den Auftrag von den Kirchengemeinden erhalten hatte. "Dabei würden die Primärquellen wie zum Beispiel die Kirchenbücher geschont, wenn man online auf die Daten zugreifen könnte", gibt Wendt zu bedenken, "deswegen sollte man sich durchaus überlegen, ob man den Datenschutz nicht zum Zwecke der Forschung etwas lockert." Dass es geht, zeigt vorbildhaft das Stadtarchiv von Duderstadt, das unter anderem seine alten Einwohnerlisten ins Netz gestellt hat.

Trotzdem boomt die Ahnenforschung inzwischen auch in Deutschland, letztendlich, weil sich über das Internet Informationen suchen und Kontakte knüpfen lassen, die besonders für Laien bisher nur schwer zugänglich waren. "Wir verzeichnen zwischen 2.000 und 2.500 Personen pro Tag auf unserer Webpage und haben 5.000 Abonnenten für unseren Newsletter", erzählt Ziegler nicht ohne Stolz. Etwa 20.000 Mitglieder zählen die deutschen genealogischen Vereine. "Für viele ist das Internet ein Einstieg", meint Birgit Wendt vom Verein für Computer-Genealogie, "denn dort bekomme ich Informationen ohne Ende, und zwar nicht nur über Personen, sondern auch über die Regionen und die Institutionen dort, an die ich mich wenden kann, was besonders in den ehemals deutschen Ostgebieten oftmals recht schwierig ist." (Andreas Grote) / (jk)