Schwache US-Konjunktur erschüttert Asiens Elektronik-Industrie

Durch die lahmende US-Konjunktur erwartet Asiens Elektronik-Industrie Entlassungen und Produktionsausfälle in Milliardenhöhe.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 32 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Frank Brandmaier
  • dpa

Sim Wong Hoos Mitarbeitern blieb nur ein Trostpflaster. 500.000 Singapur-Dollar, rund 609.000 Mark, zahlte der Chef des weltgrößten Soundkarten-Herstellers Creative Technology in Singapur jüngst aus eigener Tasche an 100 seiner Beschäftigten – weil sie in wenigen Wochen auf der Straße stehen werden. "Es tut weh, aber wir mussten es tun", sagt Sim. Seit die Schockwelle der lahmenden US-Konjunktur Asien erreicht hat, stöhnt die lebenswichtige Elektronik- Industrie in der Region unter Entlassungen, vollen Lagern und erwarteten Produktionsausfällen in Milliardenhöhe. Mancher sieht schon das Gespenst einer neuen Krise umgehen, Experten und Regierungen korrigieren hastig Wachtumsprognosen nach unten.

Die Branche gilt als Herz der asiatischen Wirtschaft, und ein unersättlicher US-Markt als wichtigster Abnehmer sorgte schon bald nach der verheerenden Krise der Jahre 1997/98 mancherorts für zweistellige Zuwächse in der Industrie. Außerhalb Japans trug das Geschäft mit Halbleitern, Komponenten und fertigen PCs fast zur Hälfte zur wirtschaftlichen Gesundung bei, fand eine Studie heraus. Entsprechend groß ist die Abhängigkeit: In Singapur macht Elektronik 64 Prozent aller Exporte aus, auf den Philippinen sind es 60 Prozent, in Malaysia 58 Prozent. 2000 summierte sich der Wert der in Japan, China, Taiwan und Südkorea hergestellten Hardware auf 104 Milliarden US-Dollar, was in etwa der US-Produktion entspricht.

Die Ernüchterung kam fast über Nacht: Im Januar gingen in den USA 20 Prozent weniger PCs über den Ladentisch als im Vorjahresmonat. "Dass die Registrierkassen in der amerikanischen Computerläden plötzlich verstummen, hat Asien völlig unvorbereitet getroffen", befindet das Magazin Asiaweek. "Noch nie habe ich in all den Jahren in der Industrie so etwas Schlimmes miterlebt", klagt Creative Technology-Chef Sim. Die Folge: Bis zum Sommer muss er zehn Prozent von weltweit 5.500 Beschäftigten vor die Tür setzen. Erst kürzlich kündigte der weltgrößte Hersteller von Computer-Laufwerken Seagate Technology Inc. an, sein Werk auf der malaysischen Insel Penang zu schließen. 4.000 Menschen sind nun zur Jobsuche gezwungen.

In den Regierungsbüros ob in Kuala Lumpur, Singapur, Seoul, oder Bangkok macht sich Nervosität breit. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) rechnet für Malaysia, Indonesien, Südkorea, Thailand und die Philippinen nach einem Durchschnittswachstum von 7,1 Prozent im vorigen Jahr 2001 nur noch mit einem Plus von etwa 4 Prozent. "Wir erwarten eine deutliche Abwärtsbewegung", sagt auch Analyst Graham Perry von der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers. Und fügt im Einklang mit der ADB hinzu: "Aber wir sind recht optimistisch, dass es nicht zu einer neuen Asienkrise kommt."

Darauf möchte man sich mancherorts nicht verlassen. Malaysias Ministerpräsident Mahathir Mohamad kündigte eine Milliarden-Konjunkturspritze an – in banger Erwartung eines mächtigen Dämpfers durch die schwächelnde US-Wirtschaft. Drei Milliarden Ringgit (1,72 Milliarden Mark) will der Regierungschef in diesem Jahr für Infrastruktur, Agrarsubventionen und billige Kredite ausgeben, um den Zuwachs auf etwa sechs Prozent zu schrauben. Wie es heißt, wird in Bangkok insgeheim schon an einem ähnlichen Finanzpaket getüftelt. (Frank Brandmaier, dpa) / (jk)