Eine Online-Reise in die (Schul-) Vergangenheit

Einige größere Online-Datenbanken für die Suche nach Ex-Mitschülern sind in Deutschland mittlerweile auf dem Markt; entstanden sind die Angebote meist als private Projekte.

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Von
  • Annett Klimpel
  • dpa

"Wir werden uns nie aus den Augen verlieren", haben sie sich geschworen -- und das Versprechen schnell vergessen. Jahre später kommt sie wieder, die Erinnerung an den besten Freund aus der Nachbarklasse, an das blonde Mädchen in der vorderen Bank. Doch wie Kontakt aufnehmen, wenn die Mitschüler nach Studium, Umzug oder heiratsbedingter Namensänderung unauffindbar sind? Am einfachsten geht das per Netz: In speziellen Internet-Datenbanken lassen sich Klassenkameraden binnen Minuten wiederfinden.

Die Online-Reise in die Vergangenheit boomt. Einige größere Datenbanken für die Suche nach Ex-Mitschülern sind in Deutschland mittlerweile auf dem Markt. "Wir haben rund 300.000 Mitglieder", sagt Ina Brendt, Sprecherin von Passado.de, einem der ersten und größten Anbieter. "Ungefähr jeder Zehnte findet auf Passado Schulfreunde wieder." Insgesamt hätten 35.000 ehemalige Klassenkameraden Kontakt aufgenommen, einige von ihnen Jahrzehnte nach ihrem letzten Treffen. Die meisten der Suchenden seien Ende 20 bis Mitte 30. "Wir haben aber auch um die 90-Jährige im Verzeichnis", ergänzt Brendt.

Mit steigender Zahl von Einträgen entwickeln sich die Suchkataloge wie im Schneeballsystem weiter. "Unser Angebot ist mittlerweile ein Selbstläufer", sagt Benedikt Spellmeyer, Mitinitiator von Schueler- mails.de. Mundpropaganda sorge dafür, dass sich manchmal ganze Schulklassen registrieren ließen. Derzeit gebe es rund 15.000 Einträge, ungefähr 30 kämen täglich hinzu. Das bisher von zwei Mann bearbeitete System werde deshalb momentan vom Eintrag per Hand auf ein Datenbank-System umgestellt.

Entstanden sind die Angebote oft auf Basis privater Projekte. Mit dem Aufbau einer Schüler-Datenbank für ein Gymnasium vor Ort sei man auf enormes Interesse gestoßen und habe sich deshalb zum Aufbau eines bundesweiten Suchkatalogs entschlossen, erklärt Spellmeyer. Auch das Anfang 2001 von zwei Studenten gegründete Passado.de basiert auf dem Internet-Projekt einer Schule.

Die Idee selbst stammt aus den USA. Gegenüber dem Fundus US-amerikanischer und englischer Anbietern wirken die Mitgliederzahlen deutscher Datenbanken allerdings noch recht mager. "Unser großes Vorbild ist Classmates.com", schwärmt Spellmeyer. Die Datenbank wirbt mit 30 Millionen Einträgen, 130.000 Schulen sind erfasst. Finanziert wird die Seite mit Gebühren für die Abfrage der E-Mail-Adressen wiederentdeckter Klassenkameraden.

Ausgelöst werde die Suche nach Ex-Mitschülern häufig durch Reize wie die Einschulung des eigenen Kindes oder das Stöbern in alten Fotos, erklärt der Osnabrücker Diplom-Psychologe Joachim Hackler. Gesellschaftliche Phänomene wie hohe Singlezahlen, zunehmende Mobilität und daraus resultierende Einsamkeit steigerten den Wunsch nach solchen Kontakten. Gesucht werde weniger der soziale Vergleich mit den ehemaligen Kameraden als vielmehr die gemeinsame Erinnerung. "Mit zunehmendem Abstand sehen wir die Schulzeit immer rosiger. Es ist ein Phänomen der Erinnerung, dass sie die Kanten glättet", sagt Hackler.

Die Online-Datenbanken, neben Passado und Schueler-mails beispielsweise auch abjadaba.de, freundedirekt.de, stayfriends.de oder unicum.de/abiclub/, haben diese nostalgische Reise in die eigene Vergangenheit deutlich erleichtert. Das Ticket für ein Treffen mit der ersten großen Liebe oder dem ehemals besten Freund ist einfach zu lösen: Meist muss nur ein Online-Formular mit einigen wenigen Daten wie Namen und E-Mail ausgefüllt werden, die Suche selbst ist kostenlos. Die resultierenden Geschichten sind manchmal kurios: "Zwei Schulfreundinnen haben ohne es zu wissen einige Jahre lang in derselben Straße gewohnt", erzählt Brendt. "Nur die Liebesgeschichte mit der wieder gefundenen Sandkastenfreundin, die fehlt uns noch." (Annett Klimpel, dpa) / (jk)