Microsoft: Kampfansage an MP3

Microsoft will die Nutzungsmöglichkeiten für MP3 in Windows XP einschränken; auch andere Konzerne machen Front gegen das populäre Format ohne Kopierschutz.

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Von
  • Jürgen Kuri

Microsoft und andere Anbieter wollen offensichtlich offensiv gegen MP3, das populäre Format für Musikdateien, vorgehen. Nach einem Bericht des Wall Street Journal will beispielsweise der Software-Konzern aus Redmond die Möglichkeiten zur Nutzung von MP3 in Windows XP, dem designierten Nachfolger von Windows 9x/ME und Windows NT/2000, stark einschränken.

Die in Windows XP eingebaute Software werde im endgültigen Release Musikstücke mit nicht mehr als 56 Kbit/s in MP3-Dateien umwandeln können – eine Qualität, die selbst dem geduldigsten Hörer kaum genügen dürfte. Bei der Umwandlung in Microsofts eigenes Format WMA soll es dagegen keine Beschränkungen geben. Zusätzlich klagen laut dem US-Blatt Beta-Tester von Windows XP darüber, dass Software von anderen Anbietern, die MP3s encoden kann, unter Windows XP nicht mehr vernünftig funktioniere – bis dahin, dass sich keine CDs mehr brennen ließen.

Hintergrund der Förderung eigener Formate durch Microsoft, aber auch durch Anbieter wie RealNetworks, sind natürlich die Urheberrechte. Sowohl die Real-Formate als auch WMA enthalten bereits Funktionen für das Rechtemanagement (Digital Rights Management, DRM), die eine Kontrolle über die Nutzung der Musik-Dateien ermöglichen. So lassen sich Einschränkungen festlegen, ob eine Datei als Musikstück auf CD gebrannt werden kann, wie oft der Song abgespielt werden darf und ähnliches. Solche Funktionen plant beispielsweise auch Napster, wenn die Tauschbörse ihren kostenpflichtigen Dienst einführt.

Diese Kontrollmöglichkeiten sind eine von der Musikindustrie schon lange geforderte Funktion, mit der die Labels ihre Rechte sichern und das unkontrollierte Tauschen von Musik über das Internet unterbinden wollen. MP3 spielt dabei eine große Rolle: Bislang konnten sich für das Format keine Kopierschutzmechanismen durchsetzen. Auf der anderen Seite sind die aus den Songs entstandenen MP3-Dateien klein genug für die Übertragung im Internet; zudem reicht die Qualität der MP3-Dateien bei höheren Bitraten ab 128 Kbit/s für die meisten Hörer vollständig aus.

"Die Industrie will MP3 nicht fördern, Microsoft und RealNetworks wollen es nicht fördern", meinte David Faber, ein früherer Mitarbeiter bei der Federal Communications Commission, gegenüber dem Wall Street Journal. "Der Verbraucher wird schon fressen, was er vorgesetzt bekommt."

Trotzdem ist keineswegs sicher, dass sich die Konzerne mit ihrem Vorgehen gegen MP3 durchsetzen können – allzu sehr hat sich das Format schon verbreitet, unzählige Anwendungen und portable Player setzen auf MP3. Kein Wunder, dass sich selbst Firmen, die Interesse an einem Niedergang von MP3 haben, skeptisch äußern: "Das ist keine einfache Aufgabe", meinte etwa Andrea Cook Fleming, Vizepräsidenten von Liquid Audio, einer Firma, die ebenfalls ein eigenes Musikformat mit Kopierschutzmechanismen anbietet. "Das ist ein riesieges Schlamassel, das behoben werden muss. Das muss man von vielen Fronten her angreifen."

Den meisten Chancen rechnen die Labels wie auch die Anbieter noch Microsoft aus – allein auf Grund seiner Marktmacht und seinem aggressiven Vorgehen, WMA populär zu machen, hoffen sie auf eine zunehmende Verbreitung des Formats gegen MP3. So gibt Microsoft auch kostenlose Lizenzen zur Nutzung von WMA an Hersteller ab; inzwischen unterstützen einige portable Player das Microsoft-Format. "Wenn Microsoft irgendwas in den Betriebssystemen unterstützt, wird es zum Standard", meinte Faber, der auch als Zeuge für die Regierung im Kartellprozess gegen Microsoft ausgesagt hatte. "Der normale Verbraucher wird das benutzen, was mit der Software mitkommt, wenn er einen Rechner kauft."

Microsoft selbst erklärte, durch die Beschränkung der MP3-Fähigkeiten in Windows XP müsse man auch keine Lizenzgebühren an die Entwickler des Formats zahlen. "Wir glauben, letztlich ist es den Verbrauchern egal, in welchem Format sie Songs aufnehmen", meinte Dave Fester, Chef von Microsofts Digital Media Division. Natürlich werde es auch mit Windows XP möglich sein, MP3s ohne Einschränkungen abzuspielen. Aber für neue Aufnahmen gebe es klare Vorteile, wenn man MP3 nicht benutze. (jk)