Schachmatch Mensch vs. Maschine: Fritz schlägt Kasparow

In der zweiten Partie des X3D-Schachmatches um die "Weltmeisterschaft in der virtuellen Realität" verlor Ex-Weltmeister Garri Kasparow nach einem schrecklichen Fehler gegen das Programm DeepFritz.

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Von
  • Jürgen Kuri

In der zweiten Partie des X3D-Schachmatches um die "Weltmeisterschaft in der virtuellen Realität" verlor Ex-Weltmeister Garri Kasparow nach einem schrecklichen Fehler gegen das Programm DeepFritz.

Kasparow verzichtete mit den schwarzen Steinen auf seine Lieblingseröffnung, die sizilianische Verteidigung, und wählte eine Variante der spanischen Partie, mit der sein Nachfolger auf dem Weltmeisterthron, Wladimir Kramnik, ihn in ihrem Match gequält hatte. Diese Eröffnungsvariante gilt auch als zuverlässiges Mittel gegen Computer, weil normalerweise schnell die Damen vom Brett verschwinden und sich Stellungen ohne großes taktisches Potenzial ergeben -- Taktik ist noch immer die Hauptwaffe der Maschinen. Vielleicht wollte Kasparow ein schnelles Remis machen; auch Kramnik hatte vor einem Jahr in Bahrain mit Fritz keine Probleme in dieser Eröffnung. Aber Fritz wich der Hauptvariante aus und wählte im vierten Zug eine unübliche Fortsetzung, die zwar keinen Eröffnungsvorteil verspricht, aber den frühen Damentausch verhindert.

Der Großmeister verbrauchte in der Eröffnung sehr viel Zeit; sicher nicht, weil er sich in dieser Position nicht auskennt, sondern um einen Aufbau zu finden, der dem Programm die meisten Probleme bereitet. Fritz greift auf eine riesige Datei mit 2,8 Millionen Eröffnungszügen zu, sodass es nicht ganz leicht ist, am Anfang einer Partie Stellungen zu finden, in denen das Programm selbst rechnen muss. Kramnik hatte sich in Bahrain zusichern lassen, dass das Fritz-Team zwischen zwei Partien nur kleine Änderungen im Eröffnungsbuch machen dürfe. In New York gibt es keine solchen Restriktionen, sogar das Programm (welches Kasparow wie üblich vor dem Match erhalten hatte) könnten die Fritz-Programmierer bei Bedarf noch ändern.

Kasparow schaffte mit seinem achten Zug, die bekannten Eröffnungspfade zu verlassen, wonach er zwar sehr passiv stand, aber auf eine blockierte Position hoffen konnte, in der Programme traditionell schwächer spielen. Fritz fand aber den richtigen Plan, mit den Bauern am Damenflügel anzugreifen, und kam mit deutlichem Vorteil aus der Eröffnung. Der Großmeister startete auf der anderen Brettseite einen Gegenangriff, aber es sah zunächst so aus, als würde Fritz' Attacke gefährlicher sein. Ab dem 25. Zug spielte das Programm ein paar schwächere Züge und Kasparow übernahm langsam die Initiative in der Partie. Aber seine Zeit wurde langsam knapp; die Kontrahenten müssen die ersten 40 Züge innerhalb von jeweils zwei Stunden ausführen, danach gibt es für jeden eine weitere Stunde, die für 20 Züge reichen muss. Sollte die Partie nach 60 Zügen noch immer nicht beendet sein, bekommen die Spieler nochmals 30 Minuten für den gesamten Rest.

Im 32. Zug waren Kasparow nur noch wenige Minuten übrig geblieben. Er erneuerte mit einem Turmzug eine vorher aufgestellte Drohung und sprang kurz darauf entsetzt auf. Zu spät: Fritz konnte den wichtigsten schwarzen Bauern gewinnen und Kasparows Stellung zerbröckelte so schnell wie ein Keks in der Sesamstraße. Im 38. Zug musste er die aussichtslose Partie aufgeben. Damit ging Fritz 1,5 zu 0,5 in Führung. Will Kasparow das Match noch gewinnen, muss er beide noch ausstehenden Partien für sich entscheiden. Die dritte Partie wird am Sonntag von Miss New York eröffnet und beginnt um 19 Uhr MEZ. Liveübertragung per Flash gibt es beim Veranstalter und bei Chessbase, englischsprachige Audio-Kommentare im Internet-Schach-Radio ChessFM. Auf dem Schachserver von Chessbase kann man mit der kostenlosen 20-Tage-Testversion von Fritz den Audio-Kommentaren des Hamburger Großmeisters Karsten Müller lauschen und sogar Live-Videos aus New York ansehen. (jk)