Gericht verurteilt Veröffentlichung privater Telefongespräche [Update]

Polizeiliche Mitschnitte privater Telefongespräche dürfen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, auch nicht durch öffentliches Verlesen vor Gericht.

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Von
  • Jürgen Kuri

Polizeiliche Mitschnitte privater Telefongespräche dürfen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Mit dieser Entscheidung gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag in Straßburg einer Klage des verstorbenen ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi statt. Das Gericht verurteilte Italien zu einer Entschädigungszahlung von je 2000 Euro an Craxis Witwe, seine Tochter und seinen Sohn.

Im Rahmen von Schmiergeldaffären hatten die Ermittlungsbehörden von Juli bis Oktober 1995 Craxis Telefon abgehört. Die Mitschnitte wurden vor Gericht verlesen und gelangten an die Presse. Damit verstieß Italien nach Auffassung der Straßburger Richter gegen den Artikel acht der Menschenrechtskonvention, wonach das Privatleben geschützt ist. Die Mitschnitte hätten nicht an die Presse gegeben werden dürfen; der Gerichtshof kritisierte, dass die italienischen Behörden keine entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ergriffen und auch keine Untersuchung einleiteten, wie die Mitschnitte an die Presse gelangten.

Auch hätte zuerst eine Anhörung nur zwischen Gericht und den beteiligten Prozessparteien stattfinden müssen, welche Teile der Mitschnitte für das Verfahren überhaupt relevant sind und daher in einer öffentlichen Verhandlung eine Rolle spielen könnten. Viele der Mitschnitte enthielten nach Ansicht der Richter rein private Gespräche, die keinen Bezug zum Verfahren gehabt hätten. Es habe daher auch keine Notwendigkeit gegeben, diese in die Verhandlung einzuführen.

Der langjährige Generalsekretär der italienischen Sozialisten (PSI) war von 1983 bis 1987 Regierungschef Italiens. Er wurde wegen Korruption und Bestechung in mehreren Verfahren zu 20 Jahren Haft verurteilt, ein Teil der Strafe wurde später annulliert. Vor seiner Festnahme flüchtete Craxi 1994 nach Tunesien, wo er im Januar 2000 starb.

Das Urteil des Gerichts ist auf den Webseiten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der Entscheidung findet sich in einer Mitteilung des Gerichts. (jk)