Schachmatch Mensch vs. Maschine: Prügel für Fritz

Die dritte Partie des X3D-Schachmatches um die "Weltmeisterschaft in der virtuellen Realität" wurde zu einem Desaster für das Computerprogramm.

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Von
  • Lars Bremer

Nach einer Niederlage ist Garri Kasparow besonders gefährlich. Das musste Fritz in der gestern gespielten dritten Partie des X3D-Schachmatches um die "Weltmeisterschaft in der virtuellen Realität" erfahren, die zu einem Desaster für das Computerprogramm wurde. Kasparow konnte den Gesamtstand mühelos ausgleichen. In der Eröffnung mag sich der Großmeister an seine WDR-Fernsehpartie gegen ChessGenius erinnert haben; 1995 gewann er im Kölner Studio mit demselben Vorstoß des c-Bauern, den er auch in dieser Partie anwandte.

Bis zum elften Zug folgten die Kontrahenten einer Partie aus dem Weltmeisterschaftsturnier von 1948, dann wich Kasparow ab. Für Fritz waren da bereits alle Messen gesungen; die Stellung war vollkommen blockiert und es gab taktisch rein gar nichts zu beißen. Computerprogramme rechnen eine gewisse Anzahl von Zügen voraus, Fritz auf den vier 2,8-GHz-Xeons mindestens neun Züge, viele Varianten aber weitaus tiefer. Innerhalb dieser Vorausberechnung spielen sie perfekt und bestrafen jeden kleinen Fehler. In sehr blockierten Stellungen kommt es aber darauf an, subtile Manöver zu finden, die weit mehr Züge erfordern, als die Programme berechnen können. Darum mögen Fritz und Kollegen lieber Stellungen, in denen die Gegner mit offenem Visier aufeinander einprügeln. Verbaute Positionen mit ineinander verzahnten Bauernketten sind eine der letzten Domänen der Menschen -- Erfolg und Misserfolg hängen fast nur noch daran, ob solch eine langweilige Stellung aufs Brett kommt oder das Programm irgendwo durchbrechen kann.

Kasparow machte sich auf, am Damenflügel einen Bauern zu gewinnen. Seine Figuren standen dann ziemlich verknäuelt herum; er brauchte in den Zügen 16 bis 20 einige Zeit, sie zu entwirren. Zeit, die Fritz unbedingt hätte nutzen müssen, um am Königsflügel mit Bauernvorstößen einen Gegenangriff aufzubauen. Aber das Programm "sah" so viel wie Stevie Wonder in finsterer Nacht und zog nur sinnlos seine Figuren hin und her. Kasparow konnte ganz unbedrängt seinen a-Bauern auf die Reise schicken und seine Figuren in aller Ruhe am Damenflügel zur Schlussattacke sammeln. Und dieses Mal gab der Großmeister dem Programm keine Chance mehr, im 45. Zug warf das Fritz-Team in aussichtsloser Stellung das Handtuch.

Vor der letzten Partie, die am 18.11. um 19 Uhr MEZ beginnt, steht es 1,5 zu 1,5. Die vierte Runde ist damit 50.000 US-Dollar wert: Gewinnt Kasparow, bekommt er diesen Betrag zusätzlich zu seinem Startgeld von 150.000 US-Dollar. Gewinnt Fritz die Partie, bleibt Kasparow ohne Bonus, bei einem Remis erhält er immerhin 25.000 US-Dollar Aufschlag. Die Entscheidungspartie live mit ansehen kann man per Flash auf der Seite des Veranstalters oder bei ChessbaseSchachserver. (Lars Bremer) / (jk)