Digitalisierung zwischen Nutzer, Nutzen und Nutzlosigkeit

Jürgen Krönig, Auslandskorrespondent der Zeit, wagte auf dem Medienforum NRW einen sehr kritischen Ausblick auf die weitere Entwicklung des digitalen Zeitalters.

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Von
  • Inga Rapp

Jürgen Krönig, Auslandskorrespondent der Zeit in London, wagte im Rahmen eines Vortrages auf dem Medienforum NRW einen sehr kritischen Ausblick auf die weitere Entwicklung des digitalen Zeitalters. Er prangerte vor allem die mangelnde Orientierung auf die Bedürfnisse der Kunden an.

Die diversen Insolvenzverfahren der letzten Zeit erklärt sich Krönig durch den "Techno-Wahn". Die Unternehmen seien der Faszination der Technik erlegen und blind gegenüber den Realitäten und dem Bedarf der Konsumenten gewesen. Überflüssige Technik, die zudem oft noch unausgereift und instabil sei, müsse jetzt massiv beworben werden, um sie überhaupt absetzen zu können.

Der Einsatz neuer Techniken wie UMTS oder digitales TV werde stark vorangetrieben. Aber nicht nur die Fußball-Weltmeisterschaft zeige , welche Probleme damit verbunden seien. Stehe in einem Haushalt nur ein Decoder zur Verfügung, so sei es beispielsweise nicht möglich, dass das Kind in seinem Zimmer ein anderes Programm sehe als die Eltern im Wohnzimmer. Ebenso gebe es nicht die Möglichkeit, gleichzeitig einen Film auf Video aufzunehmen. Außerdem beinhalteten die Planungen zur Abschaltung des analogen Fernsehens die Tatsache, dass Millionen funktionstüchtiger Endgeräte verschrottet werden müssten.

Krönig kritisierte das Verschweigen dieser gravierenden Mängel seitens der Unternehmen und warf ihnen Realitätsferne vor. Ebenso versuchte er, die Überbetonung der Interaktivität zu relativieren. Für ihn ist klar, dass der Zuschauer vorwiegend unterhalten werden will und nicht primär das Bedürfnis verspürt, sich sein Programm selber zu gestalten. Die Formulierung "interaktives Fernsehen" sei ein Widerspruch in sich, meinte Krönig, zumal die Qualität der professionellen Übertragung und Schnitttechnik interaktiv überhaupt nicht herstellbar sei, wenn es beispielsweise um die besten Blickwinkel beim Fußball gehe.

Digitales TV sei in erster Linie mehr TV, also Quantität statt Qualität. Es sei aber erwiesen, dass der Zuschauer aus den vielen ihm zur Verfügung stehenden Kanälen doch nur etwa 6 bis 10 nutze. Das Beispiel Premiere zeige außerdem, dass selbst beim vielbeschworenen Thema Fußball nur eine begrenzte Anzahl Menschen überhaupt bereit sei, dafür zu zahlen. Krönig bemängelt, dass bei allen Planungen zwei wesentliche Aspekte übersehen worden seien. Zum einen vermöge nur Free-TV die Option zu nutzen, Stars zu kreieren, wie man unter anderem an Big Brother habe sehen können. Zum anderen sei es auch nur durch Free-TV möglich, gesellschaftliche Gemeinschaftserlebnisse wie beispielsweise eine Fußball- Weltmeisterschaft zu schaffen. Diese wiederum gehörten aber zu den Bedürfnissen der Konsumenten. (Inga Rapp) / (jk)