Keine Gnade für Internetradios

Gehen Sie nicht über Los: Das US-Gesetz zur Entlastung der kleinen Webcaster von hohen Lizenzgebühren für die Internet-Radios ist im US-Senat überraschend doch noch gescheitert.

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Von
  • Holger Bruns

Der Small Webcasters Amendment Act (SWAA), mit dem die kleineren Internetradios in den USA vor dem finanziellen Ruin bewahrt werden sollten, ist nun doch gescheitert. Nach einer Intervention eines republikanischen Senators wurde der auch als HR 5469 bekannte Gesetzesentwurf gar nicht erst zur Abstimmung im Senat zugelassen, obwohl das Repräsentantenhaus dem Gesetz mit seiner finanziellen Entlastung der kleinen Webcaster bereits zugestimmt hatte. Der Radio and Internet Newsletter (RAIN) berichtete unter Berufung auf ungenannt gebliebene Quellen, dass der politisch rechts außen angesiedelte US-Senator Jesse Helms für die Absetzung von der Tagesordnung verantwortlich sei. Allerdings liegen die Motive dafür im Unklaren. RAIN spekuliert, der Senator wollte möglicherweise nur einmal wieder auf sich aufmerksam machen, nachdem es in letzter Zeit recht still um den früher prominent in den Medien vertretenen Außenpolitiker geworden war.

Nach dem Gesetzesentwurf sollen Internetradios mit jährlichen Einnahmen von weniger als 1.250.000 US-Dollar von den hohen Gebühren befreit werden, die sie nach dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA) an die Musikindustrie zu zahlen hätten. Der Gebührensatz von 0,07 US-Cent pro Song und Hörer, den der Gesetzgeber Mitte des Jahres festgelegt hatte, hätte für viele Online-Radios das Aus bedeutet, zumal diese Gebühren rückwirkend zum 1. Januar 1998 zu zahlen sind. Kleine Webcaster wären nach dem SWAA allerdings stark entlastet worden: Sie wären nur verpflichtet gewesen, entweder acht bis zwölf Prozent ihres Umsatzes oder fünf bis sieben Prozent ihrer Ausgaben an die Plattenindustrie zu zahlen. Für Radios mit jährlichen Einnahmen von weniger als 50.000 US-Dollar wurde ein Mindestbeitrag von 2000 US-Dollar festgelegt.

Dennoch war so manch ein Webcaster mit dem Gesetz unzufrieden. Wer ein eigenes Internetradio aufmacht, muss einiges in die Technik investieren. Das bedeutet zunächst hohe Ausgaben; die nach dem SWAA auf Grund dieser Ausgaben berechneten Abgaben könnten schnell einige zehntausend US-Dollar betragen. Die anfallenden "Royality Fees" an die Musikindustrie würden auch mit dem Schutzgesetz noch drei- bis vier Mal höher ausfallen als die Lizenzgebühren an die Verwertungsgesellschaften der Künstler. Wäre das Gesetz durchgekommen, so befürchteten viele Internetradio-Betreiber, wäre der Kongress zu der Ansicht gekommen, das Problem mit den Abgaben der Webcaster endgültig gelöst zu haben. In Wirklichkeit betreffe der Small Webcasters Amendment Act aber nur eine kleine Gruppe mit einem bestimmten Einkommen und einem entsprechenden Geschäftsmodell; die überwiegende Mehrheit der Webacster werde nach wie vor kräftig zur Kasse gebeten, hieß es aus der Branche. Immerhin aber war unter der Leitung des Abgeordneten James Sensenbrenner ein Kompromiss zu Stande gekommen, den alle beteiligten Parteien für besser hielten als den nun wieder in Kraft gesetzten Status Quo.

Immerhin ist inzwischen auch der RIAA und Soundexchange, ihrem Ableger zur Eintreibung von Lizenzgebühren, aufgefallen, dass kleine Webcaster mit den "Royality Fees" finanziell überfordert sind, weil dank der derzeitigen Regelung möglicherweise mehr als 200 Prozent der tatsächlichen Einnahmen abgeführt werden müssten. Die kleineren Webcaster müssten sich deshalb aus dem Netz verabschieden. So weit will es aber selbst die Plattenindustrie nicht kommen lassen. Denn schließlich sind unter den Webcastern viele Betreiber, die im Gegensatz zu den Radios der großen Senderketten wie Clear Channel und den Infinity-Stationen auch Künstler auftreten lassen, die neu im Geschäft sind, die sich ihr Publikum noch suchen müssen oder die schlicht nicht in den Top 40 gelandet sind. Internet-Radios sind zudem der ideale Tummelplatz für Spartenkanäle mit Programmen für ganz spezielle Zielgruppen oder einem sehr eingeschränkten Hörerkreis.

Die Analysten vom RAIN sehen zwei Möglichkeiten, wie es weitergehen kann. Zum einen könnten sich alle Beteiligten auch ohne gesetzliche Grundlage einfach an den ausgehandelten Kompromiss halten -- was die RIAA auch vorläufig so verkündete. Längst nicht alle Plattenlabels sind aber bei der RIAA beteiligt, die mit der Lizenzplattform Soundexchange nur für ihre Mitglieder auftreten kann. Zum Zweiten könnten aber auch die RIAA-Eintreiber irgendwann einnmal aggressiv zu Werke gehen -- schließlich ist die ursprüngliche Lizenzbestimmung nach dem Scheitern des Gesetzes in Kraft. Damit könnte der Senat gezwungen sein, das zur Seite gelegte Schutzgesetz doch noch in Kraft treten lassen.

Wie auch immer die weitere Entwicklung verläuft: Für die Webcaster ist dies eine verfahrene Situation, denn die Zeit läuft ihnen davon. Nicht alle resignieren jedoch: Bill Goldsmith, lautstarker Öffentlichkeitsarbeiter und Betreiber des kalifornischen Radio Paradise, gibt sich kämpferisch. Die Webcaster würden, so schreibt er auf seiner Homepage, ihre Strategie neu überlegen, aber sie würden nicht aufgeben. (Holger Bruns) / (jk)