Telecom-Branche: Mit Massenentlassungen gegen die Krise

Mit dem Ende des Handy-Booms und der finanziell angespannten Lage vieler Telecom-Carrier verlieren weltweit zehntausende Arbeitnehmer ihre Jobs.

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Von
  • Jürgen Kuri

Derzeit jagt eine Hiobsbotschaft über Stellenstreichungen in der Telecom-Branche die nächste. Allein am Freitag hieß es: 20.000 weniger Arbeitsplätze bei Nortel, 10.000 weniger bei Ericsson. Den Reigen hatte kürzlich der amerikanische Handy- und Chiphersteller Motorola eröffnet. Angesichts des sinkenden Handyabsatzes kündigte der Branchenzweite den Abbau von insgesamt 22.000 Stellen an. Bislang halbwegs unberührt steht einzig der weltweit dominierende Handy-Anbieter aus Finnland, Nokia, glänzend da. Dafür sind auch die großen Namen unter den Telecom-Ausrüstern von der angespannten Lage betroffen.

Der schwedische Ericsson-Konzern bezifferte das Minus der Mobilfunk-Sparte im ersten Quartal 2001 auf 670 Millionen Euro. Beim drittgrößten Handy-Produzenten der Welt ging der Umsatz beim Verkauf von Mobiltelefonen binnen Jahresfrist um mehr als die Hälfte von 1,6 Milliarden auf 795 Millionen Euro zurück. Neben den festen Arbeitsplätzen wollen die Schweden auch die Zahl der 15.000 freiberuflich beschäftigten Berater drastisch reduziert werden. Deutschland sei davon aber nicht betroffen, hieß es. Auch Siemens, eigentlich mit dem Ziel vor Augen, Ericsson als Drittplatzierten unter den Handy-Herstellern abzulösen, strich schon befristete Stellen in der Handy-Herstellung und konzentrierte die Produktion in Deutschland auf einen Standort.

Ungeachtet der Flaute beim Handy-Absatz und der Schwierigkeiten der Konkurrenten verbesserte Nokia seinen Vorsteuergewinn gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent auf 1,49 Milliarden Euro. Äußerst zufrieden erklärte Vorstandschef Jorma Ollila in Helsinki: "Ich bin über unsere Zahlen mehr als erfreut." Ollila verkündete, Nokia habe fast den angestrebten Marktanteil von 40 Prozent aller weltweit verkauften Handys erreicht. Ein angestrebtes Wachstum von 20 Prozent für das nächste Quartal aber war für die Börsen schon ein Zeichen, dass auch Nokia nicht ganz vom Ende des Handy-Booms unberührt bleibt – denn die Erwartungen waren zuvor weit höher. So ging denn auch der Kurs des Nokia-Papiers an den Börsen trotz des ausgezeichneten Ergebnisses zurück.

Die schwache US-Konjunktur, Zweifel über die Zukunft einiger Telecom-Carrier und die zögerliche Haltung der Unternehmenskunden bringen aber nicht nur die Handy-Hersteller und Mobilfunk-Ausrüster in eine schwierige Lage. Auch die großen Telecom-Ausrüster geraten unter Druck: Der kanadische Netzwerk-Riese Nortel schreibt tiefrote Zahlen. Bis Mitte dieses Jahres sollen daher insgesamt 20.000 Stellen gestrichen werden, rund 21 Prozent der Belegschaft. Im ersten Quartal 2001 verbuchte Nortel einen Verlust von 2,58 Milliarden US-Dollar gegenüber einem Minus in Höhe von 730 Millionen US-Dollar im Vorjahr.

Nortel steht aber beileibe nicht alleine da: Selbst Cisco, das Vorzeigekind der Branche, musste zwar keine Verluste ankündigen, aber die Umsätze sollen um glatte 30 Prozent zurückgehen – und durch Massenentlassungen kompensiert werden. Dass der Telecom-Ausrüster Lucent bis zu 16.000 Mitarbeiter entlässt, verwundert angesichts der Management-Fehler bei der ehemaligen AT&T-Abteilung kaum einen aus der Branche – aber nicht alle Schwierigkeiten bei Lucent sind hausgemacht. Prozessor-Produzent Intel warnt schon vor einem Schiffbruch der Telecom-Industrie und fürchtet um die eigenen Diversifikations-Bemühungen im Kommunikationsbereich. Die Zeiten sind hart für die Telecom-Ausrüster – und die Mitarbeiter, vielmehr die ehemaligen Mitarbeiter bekommen dies am eigenen Leib zu spüren. (jk)