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Was war. Was wird.

Diese Woche brachte seltsame Apelle an die falschen IT-Größen und Erinnerungen an echte Helden. Erinnerungen, die das freie Denken befördern, wagt Hal Faber zu hoffen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Als Colin Powell der Welt erklärte, wie Saddam Hussein selbige bedroht, wurde die Reproduktion von Picassos Gemälde Guernica erst einmal verhängt, da es einen unpassenden Hintergrund für die Kameras abgab. Als der Bericht des obersten Waffeninspektors Blix in einem Transskript von CNN vorgestellt wurde, fehlten im Vergleich zum kompletten Text etliche Passagen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sehen die Dinge anders als Europa und finden für ihre Sicht laufend neue Beweise für den Kampf um das Öl. Die Medien rüsten sich für den Krieg und sind begeistert: "wir leben und atmen diesen Krieg 24 Stunden am Tag."

*** Inmitten der allgemeinen Kriegsvorbereitungen haben es die Proteste schwer, den Auftrieb lahm zu legen. Wo der Auftrieb nicht gestört werden kann, sollte das Aufgeilen unterbleiben, meinen zumindest die Friedensaktivisten frei nach Aristophanes und lassen die Avatare antreten. Auch bei uns ist diese Aktion im Schwange. Macht Bären, nicht Krieg! Ein ungelenker Versuch, die Technologie gegen den Krieg einzusetzen, wurde in diesen Tagen von deutschen Mac-Nutzern gestartet, gestoppt und wieder gestartet. Noch das schönste PowerBook arbeitet unbeeindruckt für Colin Powell oder George W. Bush, bei dem vielleicht vorsorglich der Bildbetrachter deinstalliert wurde.

*** In jedem Fall ist der direkte Appell an Steve Jobs verfehlt. Auf Saddam Hussein reagiert Jobs allergisch, seitdem ihn der Kolumnist Robert X. Cringeley im Jahre 1992 als den Saddam der Computerbranche portraitierte (und Bill Gates als Emir von Kuwait). 11 Jahre später fliegen zwischen Cringeley und Jobs angeblich immer noch die Fetzen, obwohl der Journalist friedlich geworden ist und Jobs davon abrät, mit der problematischen Firma Sun Microsystems zusammenzugehen: Wer ein hübsches Unix verkauft, muss sich nicht einen Klotz namens Solaris ans Bein binden. Doch manchmal ist die Entscheidung für ein System nicht unbedingt rational zu nennen. Und Jobs ist kein Despot, oder?

*** Heute vor 120 Jahren wurde Karl Jaspers geboren, der Philosoph, der sich wohl am stärksten mit der Schuldfrage der Deutschen beschäftigt hat, die ihn 1937 aus dem Amt jagten und 1945 zum Lieblingsrückkehrer machten. Das Volk muss freilich frei denken können. "Es weiß, was geschieht." Das wusste auch Sophie Scholl, die zusammen mit ihrem Bruder und Christoph Probst am Samstag vor 60 Jahren hingerichtet wurde, nicht nur wegen ihres letzten Flugblatts gegen das Nazi-Regime, bei dessen Verteilung sie verhaftet wurden -- am gleichen Tag, an dem Goebbels vor 60 Jahren seine "Totale-Kriegs"-Rede hielt. Sophie Scholl brauchte länger als Karl Jaspers, bis sie zu einem der Lieblinge der geläuterten Deutschen wurde -- nunmehr mit einer pathetischen Marmorbüste in der Walhalla geehrt. Deutschland hat halt so seine Schwierigkeiten, seine wahren Helden richtig zu feiern. Wovon auch Karl Jaspers wohl Geschichten erzählen könnte -- galt doch den Deutschen lange Zeit der Alte vom Schwarzwälder Berg als der deutsche Philosoph schlechthin, der nicht etwa von der Hitlerei aus Deutschland vertrieben wurde, sondern den "Führer führen" wollte. Dunkles Raunen vom Sein, das Es selbst ist, und das zu erfahren das "künftige Denken" lernen muss, war den Deutschen lange Zeit lieber als das freie Denken, das auch die Phänomenologie vom Kopf auf die Füße stellt. Dies sei Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und Kurt Huber auch heute noch gedankt, dass ihnen doch das freie Denken wichtiger war.

*** Es gilt aber auch anderes zu erinnern. Ein Geburtstag wird in der Friedensbewegung gefeiert. Heute wird Heinrich Schirmbeck, der größte Sohn Recklinghausens, 88 Jahre alt. Frei nach Matthäus veröffentlichte Schirmbeck 1957 mit "Ärgert dich dein rechtes Auge" einen der ersten Wissenschaftsromane, in dem ein Computer mit von der Partie ist. Das Buch teilt mit anderen das grausame Schicksal gut gemeinter wissenschaftlicher Publizistik. "Quasseln ist alles, was du kannst", meinte schon Zazie -- der 100. Geburtstag ihres Schöpfers Raymond Queneau beschäftigte die kleinen Blättchen. Nur die Oulipothetiker mag es interessieren, das Queneaus "Mille cents milliards des poèmes" seit 1977 unverdrossen von einem Computer gedichtet werden, der einst sogar im Centre Pompidou stand.

*** Diese Woche hatte ihre Abschiede. Johnny Paycheck, der dreckige Outsider der Country-Musik, der mit seinem "üblen Ruf" die Hillbilly-Heile-Welt nachhaltig ramponierte, starb in dem Ort, der ihm Auftritte verwehrte: Nashville. "Take this Job and Shove it" bleibt uns erhalten. Sein "Keeping Up with the Joneses" brachte es gar zu einem der ersten Computerspiele auf CD-ROM. Und sein D.O.A. mag Computernutzern zwar bekannt vorkommen, heißt aber ausgeschrieben immer noch "Drunk on Arrival".

*** Einen traurigen Abgang hatte der Computerclub im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Man mag technisch über manche Sendungen von Wolfgang und Wolfgang die Nase rümpfen, doch der fröhliche Irrsinn von Hunderten live gefilmter Experimente, die nicht klappten, er wird sicher vielen fehlen. Im Zeitalter der Konvergenz von Fernsehen und Computer sind Sendungen, in denen die Körperwelten der Geräte seziert werden, nicht länger schicklich. So werden möglicherweise Mac-User wie Colin Powell und George W. Bush zur Avantgarde der Rechner-Schrauber. Aber wer schraubt schon noch eine Fernbedienung auf, wenn die Strafe kruder Gesetze droht.

*** Wer forscht noch weiter, wenn sich die akademische Forschung hinter die Pläne von Microsoft stellt, die Technik wasserdicht zu machen. Der Bogen von Saddam zum TCPA mag überzeichnet sein, der Argwohn ist nicht aus der Luft gegriffen. Am Ende hat Microsoft auch das Fliegen erfunden. Die Geschichte der Technik ist immer auch die Geschichte der Leichtgläubigkeit, gegen die es zwar Kräuter gibt, die freilich ohne Aufklärung nicht wirken können.

Was wird.

Wozu eignet sich ein 23. Monatstag besser denn für die Vorführung von 23, wird sich RTL gedacht haben und bringt zum Film heute Abend den hübschen Kommentar: "Der kalte Krieg treibt seine letzten absonderlichen Blüten." Doch der Tod ist erst der Anfang einer Existenz da draußen. Ja, so manche Websites sind toter als der Mythos um Karl Koch.

Am Freitag wird der 50. Jahrestag der Entdeckung der DNS gefeiert, Der Tag, an dem James Watson auf die Doppelspiral-Idee für die Molekülstruktur kam, gilt als eine der wichtigsten Entdeckungen des Menschen. Um mit Raymond Queneau zu sprechen: "Der Affe ward zum Menschen ohne Kraftentfalten, der hat ein wenig später das Atom gespalten." Nun kann sich der Affe klonen, bis ihn die Flieger der Raelianer abholen. (Hal Faber) / (jk)