Biometrie als Wahlgeschenk

Im Schatten der Schwarzenegger-Kandidatur werden in Kalifornien biometrische Führerscheine eingeführt.

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Von
  • Janko Röttgers

Spätestens nach der Kandidatur von Arnold Schwarzenegger sehen ihn die Umfragen bereits als Wahlverlierer: Der kalifornische Gouverneur Gray Davis muss bis zum 7. Oktober mindestens 50 Prozent aller Wähler überzeugen, für ihn und gegen eine von der republikanischen Opposition angestrengte Abwahl zu stimmen. Um das Ruder doch noch herumzureißen und sich die Unterstützung von Migranten und progressiven Kaliforniern zu sichern, will Gouverneur Gray Davis jetzt per Gesetz "undokumentierten Einwanderern" die Ausstellung eines Führerscheins erleichtern. Sicherheitsbedenken sollen durch die Einführung einer Bundesstaats-weiten biometrischen Datenbank ausgeräumt werden. Das betreffende Gesetz hat bereits die ersten legislativen Hürden überwunden. Mit einer Unterzeichnung durch den Gouverneur wird schon in der nächsten Woche gerechnet.

In Kalifornien und anderen US-Bundesstaaten gilt der Führerschein als De-facto-Ausweisdokument. Vom Alkohol-Erwerb über das Abschließen einer Versicherungspolice bis zum Eröffnen eines Bankkontos geht kaum etwas ohne die kleine gelbe Plastikkarte. Doch wer einen Führerschein beantragen will, benötigte dafür bisher neben Fahrkenntnissen auch den Nachweis seiner Staatsbürgerschaft oder einer legalen, langfristigen Aufenthaltsgenehmigung. Millionen von undokumentierten Immigranten sind damit von weiten Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen. Sie können keine Bankkonten eröffnen und müssen deshalb ihre Gehaltsschecks gegen saftige Gebührenaufschläge bei zwielichtigen Scheck-Auszahlungsstellen einlösen. Sie besitzen keinen Führerschein und sind deshalb eher dazu verleitet, im Falle eines Unfalls Fahrerflucht zu begehen. Nicht zuletzt sind sie auch bevorzugte Opfer von Missbrauch und Verbrechen jeglicher Art, da sie mangels einer Identifikationsmöglichkeit nur selten den Gang zur Polizei wagen.

Das neue Führerschein-Gesetz will damit aufräumen, indem es auf den Nachweis einer Aufenthaltsberechtigung verzichtet. Statt dessen muss ein Antragsteller in Zukunft lediglich die eigene Identität mit Dokumenten wie etwa einer Steuer- oder Sozialversicherungsnummer oder auch seiner Geburtsurkunde nachweisen. Gleichzeitig soll die Ausstellung mehrerer Führerscheine auf eine Person durch Biometrie effektiver als bisher verhindert werden. Bereits seit rund 20 Jahren muss jeder Kalifornier beim Beantragen seines Führerscheins Fingerabdrücke abgeben. Bisher wanderten diese in lokal geführte Kataloge der jeweiligen Behörde. Nun sollen die Fingerabdrücke digitalisiert, biometrisch aufbereitet und in einer Bundesstaats-weiten Datenbank gespeichert werden.

Kritiker befürchten jedoch, dass diese Datenbank erhebliche negative Auswirkungen auf den Datenschutz der Einwohner Kaliforniens haben wird. So gehen sie davon aus, dass biometrische Daten als Verknüpfung verschiedener bisher getrennter Datenbanken verwendet werden können und damit weitreichende Persönlichkeitsprofile erlauben. Außerdem wenden sie ein, dass Biometrie keinesfalls vor dem in den USA weit verbreiteten Problem des Identitätsdiebstahls schützt. Zwar kann eine zentrale Datenbank ausschließen, das jemand zwei Führerscheine unter verschiedenen Namen beantragt. Doch wer nur eine gefälschte Identität annimmt, bleibt auch mit dem Fingerabdruck-System unerkannt. Befürchtet wird schließlich auch der Missbrauch der Daten durch staatliche und nichtstaatliche Stellen. So versuchten Ende der Neunziger drei US-Bundesstaaten, Millionen digitalisierter Führerscheinfotos an die Firma Image Data LLD zu verkaufen. Die Firma erklärte, die Bilder gegen Betrug im Bankenwesen einsetzen zu wollen. 1999 wurde jedoch bekannt, dass Image Data Millionen an Fördersummen vom Secret Service bekommen hatte, um still und heimlich eine Anti-Terror-Fotodatenbank aufzubauen. Nachdem die Seilschaften öffentlich wurden, stoppten die Bundesstaaten den Verkauf der Bilder.

In den USA gibt es traditionell kein mit dem deutschen Personalausweis vergleichbares landeseinheitliches Ausweisdokument. Seit dem 11. September gibt es immer wieder Pläne, einen solchen Ausweis einzuführen. Bisher scheitern diese jedoch am Widerstand von Bürgerrechtsverbänden und Föderalisten. Die American Civil Liberties Union befürchtet nun, dass Führerscheine mit biometrischen Datenbanken so etwas wie die Einführung des landeseinheitlichen Ausweises durch die Hintertür darstellt. Dabei folgt Kalifornien einem landesweiten Trend. Insgesamt vier Bundesstaaten setzen bereits auf biometrische Gesichterkennungs-Technik. Wenn ein Antragsteller in diesen Staaten für seinen neuen Führerschein fotografiert wird, wird sein Bild biometrisch aufbereitet und mit anderen Bildern in der Datenbank der Führerschein-Inhaber verglichen. Die Sicherheit dieses Verfahrens wie auch der Fingerabdruck-Biometrik ist jedoch höchst umstritten. So führten erst kürzlich zwei Entwickler auf dem Sommercamp des Chaos Computer Clubs vor, dass sich Fingerabdruck-Verfahren selbst in einer überwachten Umgebung sehr einfach austricksen lassen. Auch ein Test von Biometrie-Systemen, den c't in Ausgabe 11/2002 veröffentlichte, zeigte viele Schwachstellen der verfügbaren Lösungen auf (siehe: Körperkontrolle -- Biometrische Zugangssicherungen auf die Probe gestellt). (Janko Röttgers) / (jk)