Datenschutz-Streit um elektronische Gesundheitskarte

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung sorgt sich um den Datenschutz ihrer Patienten -- Bundesdatenschutzbeauftragter, Gesundheitsministerin und IT-Verband Bitkom weisen die Vorwürfe zurück.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) sorgt sich in ihrer jüngsten gesundheitspolitischen Anzeigenkampagne "Deutschlands Zahnärzte zeigen Zähne" auch um den Datenschutz ihrer Patienten. Sie kritisiert den Plan der Bundesregierung, bis Januar 2006 eine elektronische Gesundheitskarte einzuführen. Die E-Gesundheitskarte soll neben den Daten der bisherigen Krankenversichertenkarte auch Daten zu Untersuchungen, Arzneimittelverordnungen, Impfungen sowie Notfalldaten auf einer multifunktionalen Mikroprozessorkarte speichern. Die Karte soll auch Daten auf Servern speichern und einlesen können.

In ihrer Kampagne warnt die KZBV nun vor einem möglichen Missbrauch der Karte durch Dritte: "Vielleicht würde sich Ihr potenzieller Arbeitgeber während des Vorstellungsgespräches ganz gerne ein Bild über Ihren Gesundheitszustand machen." Die KZBV warnt deshalb: "Sind diese so genannten pseudonymisierten Daten aber erst einmal da, wecken sie, wie wir aus der Vergangenheit wissen, Begehrlichkeiten." Die Zahnärzte-Lobby räumt zwar ein, dass die Politik und die Kassen Datensammlungen für statistische Zwecke und Planungen benötigen, doch dies sei auch durch anonyme Befragungen beziehungsweise anonymisierte Daten möglich. So würden für Forschungszwecke und für Chroniker-Programme schon lange anonyme Daten geliefert.

Ira von Wahl, Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten, betonte allerdings gegenüber heise online: "Es ist nicht praktikabel, diese Daten zu anonymisieren"; schließlich handele es sich um persönliche Daten für ganz bestimmte Zwecke, wie etwa Blutgruppe und Medikamentenunverträglichkeit bei den Notfallinformationen. Allerdings seien auch das elektronische Rezept sowie der Bereich für die Arztberichte individuell gestaltet: "Man kann nur auf den Bereich zugreifen, für den der Patient das Einverständnis gegeben hat." Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob, und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt bezeichneten die Vorwürfe in einer gemeinsamen Erklärung dann auch samt und sonders als "falsch und irreführend". Die Sorge, die Gesundheitskarte schaffe den gläsernen Patienten, sei, so Jacob, "unbegründet". Der Patient bleibe "Herr seiner Daten". Technische Vorkehrungen würden gewährleisten, dass nur mit Einverständnis der Patienten durch berechtigte Ärzte, Zahnärzte und Apotheker unter Einsatz ihres elektronischen Heilberufsausweises auf die Gesundheitskarte zugegriffen werden könne. Jacob: "Ein unberechtigter Zugriff durch Arbeitgeber ist damit ausgeschlossen." Außerdem stärkten besondere Strafvorschriften den Schutz vor Missbrauch. Auch Ulla Schmidt betonte, dass allein die Patienten über die Daten "die Verfügungsgewalt" besäßen. Alle Einzelheiten des Konzeptes der elektronischen Gesundheitskarte würden "eng" mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten und den Patientenorganisationen abgestimmt.

Die Kampagne des Zahnärzte-Verbands verunsichere die Patienten "wider besseres Wissens" und führe sie "gezielt in die Irre" sagte auch Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des IT-Branchenverbandes Bitkom. Das Speichern kompletter Krankenakten sei allein aus technischen Gründen nicht möglich. Der Patient allein entscheide, welche Daten auf der Gesundheitskarte gespeichert werden und welchen medizinisch berechtigten Personen er sie zur Verfügung stellen will. Der Verband sieht in der elektronischen Gesundheitskarte sogar noch eine "erhebliche Verbesserung des Datenschutzes". Denn heute würden sensible Patientendaten ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen schriftlich, per Fax oder E-Mail übermittelt: Missbrauch sei möglich und finde auch statt.

Anlass für die Einführung einer E-Gesundheitskarte war 2001 der Lipobay-Skandal, bei dem zahlreiche Patienten wegen Medikament-Nebenwirkungen starben. Ziel der Karte ist es, mehr Transparenz in den Versorgungs- und Abrechnungsabläufen zu schaffen. Nach Angaben der KZBV sind 72 Millionen Versicherte betroffen, die Aktion kostet 2,2 Milliarden Euro. Das Bundesgesundheitsministerium seinerseits rechnet mit Einsparungen von mehr als einer Milliarde Euro, da administrative Kosten eingespart werden können. Laut Bitkom-Berechnungen lassen sich mit der Gesundheitskarte sogar bis zu fünf Milliarden Euro jährlich einsparen -- bei einem Investitionsbedarf von nur etwa 1,3 Milliarden Euro. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)