Urteile ohne Grenzen

Selbst nach fast 10 Jahren Vorbereitung sind die Vorschläge für die geplante Haager Konvention zu Zivil- und Handelssachen noch reichlich unausgegoren.

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Von
  • Monika Ermert

Nicht nur Verbraucherschützer sind daran interessiert, dass Urteile, die ein Gericht im Inland gefällt hat, beim Lieferanten in einem anderen Land direkt vollstreckt werden können. Die Haager Konvention zu Zivil- und Handelssachen soll daher Fragen des Gerichtsstandes und des jeweils anwendbaren Rechts regeln. Urteile aus den 55 Mitgliedländern würden somit über die Grenzen hinweg gültig.

Über zentrale Fragen herrscht jedoch noch weitgehend Uneinigkeit. Bei einem von der europäischen Kommission in der vergangenen Woche veranstalteten Anhörung wurden noch einmal die widersprüchlichen Interessen zu dem Abkommen deutlich. Rund 200 Vertreter europäischer Unternehmen und Organisationen nahmen an der Anhörung teil.

Kritiker wie James Love vom Consumer Project on Technology warnen seit dem Bekanntwerden der Konvention davor, dass zwar die Vollstreckung von Urteilen vereinheitlicht würde, dass Unternehmen wie Nutzer aber nach ihnen völlig unbekannten Rechtsvorschriften verklagt werden könnten. Selbst das Recht eines Drittstaates kann von Unternehmen zur Grundlage für ihre Kundenbeziehungen gemacht werden.

"Wir sind dafür, dass das Recht des Herkunftslandes, in unserem Fall der Sendestandort, maßgeblich wird", urteilt etwa Julia Maier-Hauff vom Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT). Sendeanstalten müssten sonst befürchten, beispielsweise gegen die Urheberrechtsvorschriften und andere Persönlichkeitsrechts-Bestimmungen von Ländern zu verstoßen, in denen ihr Programm empfangen werden kann. "Ein Bild von Madonna auf einer Webseite, das bei uns völlig unproblematisch ist, könnte anderswo als Verletzung aufgefasst werden". Gerade grenzüberschreitend tätige Telekommunikationsunternehmen und Internet-Service-Provider könnte die Konvention teuer zu stehen kommen. Auch umfassendere Patent- und Markenschutzregelungen könnten so international durchgesetzt werden.

Auf reichlich wackeligen Füßen steht nach Einschätzung von Andreas Bogk der aktuelle Text, der für entscheidende Passagen jeweils zwei bis vier Alternativen vorschlägt. "Wenn alle Gesetze so gemacht werden, dann gute Nacht", sagte Bogk, der für den Chaos Computer Club Berlin eine Stellungnahme mit Blick auf die negativen Konsequenzen für die freie Meinungsäußerung im Netz und für freie Software-Entwickler vorbereitet.

Selbst eine völlige Ablehnung der Konvention, an der Juristen der Hager Konferenz seit 1992 arbeiten, ist vorerst noch eine Option, heißt es bei der Generaldirektion Justiz und Inneres der Kommission in Brüssel. Auch verschiedene "abgespeckte" Versionen werden diskutiert. Anfang kommenden Jahres gehen die offiziellen Verhandlungen in Den Haag in den nächste, entscheidende Runde. (Monika Ermert) / (mw)