VDI-Chef warnt vor Straucheln des Technologie-Standorts Deutschland

Wirtschaftsführer in Deutschland sollen nicht mehr damit kokettieren, in Mathematik und Naturwissenschaften schlechte Schüler gewesen zu sein, meint Hubertus Christ.

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Von
  • Torge Löding

So langsam muss man sich Sorgen um den Nachwuchs bei technischen Spitzenkräften in Deutschland machen, meint Hubertus Christ, Präsident des Verein Deutscher Ingenieure (VDI). "Im Wettbewerb um die besten technischen Fach- und Führungskräfte steht Deutschland nicht mehr in der vorderen Reihe." An dieser Misere sei nicht nur der fehlende Nachwuchs schuld, sondern auch die Abwanderung technischer Spitzenkräfte zu attraktiveren Standorten.

"Bei einer jährlichen Bedarfslücke von etwa 20.000 Ingenieuren bleibt der Nachwuchs weiterhin aus. Die Absolventenzahl bei den attraktivsten Ingenieur-Studiengängen steigt jährlich lediglich um etwa 1000 an, was bei weitem nicht ausreicht", so Christ. Seitdem der VDI vor zwei Jahren erstmals auf das Problem der Abwanderung deutscher Fachkräfte ins Ausland hinwies ("Die besten deutschen Wissenschaftler arbeiten in den USA"), habe sich strukturell leider wenig getan.

Glaubt man den Umfragen der Unternehmen, die Auswanderwillige beraten, so antworten Kandidaten auf die Frage "Warum wollen Sie eigentlich auswandern?" zu über 50 Prozent mit drei Antworten "Hier ist alles irgendwie festgefahren", "Hier habe ich keine richtige Zukunft mehr" oder "Ich will noch einmal neu anfangen und die Ärmel hochkrempeln". Wie hoch die Zahl der Auswanderer wirklich ist, kann der VDI nicht sagen, da Statistiken dazu fehlen. "Es ist ein gravierendes Problem und wenn Deutschland nicht die Rahmenbedingungen für das Umfeld, in dem Naturwissenschaftler und Ingenieure arbeiten, verbessert, werden wir weder Spitzenköpfe nach Deutschland locken, noch Spitzenkräfte in Deutschland halten können", mahnt Christ. Auch wenn Qualität und Innovationskraft deutscher Technologien international weiterhin als sehr gut bewertet werden.

Damit sich das nicht ändert fordert der Verbandspräsident zudem, Technikunterricht in der Schule mehr zu fördern. "Es genügt nicht, alle Schulen ans Netz zu hängen. Das Internet ist nur ein Hilfsmittel, eine Grundfertigkeit. Vielmehr müssen grundlegende mathematische, naturwissenschaftliche und technische Grundlagen an den Schulen vermittelt werden", erklärte der Ingenieur. So lange es aber in Deutschland bis in die Führung von Politik und Wirtschaft zum guten Ton gehöre, damit zu kokettieren, in Mathematik und Naturwissenschaften ein schlechter Schüler gewesen zu sein, werde die Trendwende nicht gelingen.

Ein Vergleich der Arbeitsmärkte von Ingenieuren und Informatikern zeige, dass sich der Ingenieurberuf stabil entwickle. Bei den Informatikern habe sich die Zahl der Arbeitslosen seit 1998 mehr als verdoppelt, während die Zahl der Arbeitslosen bei den Ingenieuren beständig abnehme -- 1998 waren es rund 75.000 ohne Job, drei Jahre später noch 64.000. (tol)