Vom Ă–lfarbenklecks zum Pixel -- wie Strategiespiele entstehen
Der Weg von der Idee zum fertigen Spiel ist steinig -- der Einstieg fĂĽr Neulinge unter den Spieleentwicklern funktioniert meistens nur als Selbstausbeutung.
Bei manchem PC-Strategietitel wird der Spieler gottgleich: Förmlich aus dem Nichts schöpft er eine kleine Welt mit Städten, Verkehrswegen, Handel, Industrie und Bewohnern. "Man kann da tun und lassen, was man will", sagt Jochen Bauer, der für Sunflowers in Langen mit Anno 1602 ein besonders erfolgreiches deutsches Computerspiel produziert hat. So hält denn auch das Genre Strategiespiel mit rund 30 Prozent Marktanteil nach Angabe des Verbandes der Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD) seit Jahren die Spitzenposition in der Käufergunst.
Nicht viel anders als den Spielern, die anfangs vor einer leeren Landkarte sitzen, ergeht es den Entwicklern von Computerspielen. Mit wenig mehr als einer Idee, Ausdauer und Erfahrung formen sie aus Hunderttausenden von Zeilen Programmcode jene Welten, die die Spieler einmal mit Leben fĂĽllen sollen. Der Weg dahin ist lang und steinig: An Anno 1503 -- der Nachfolger von Anno 1602 soll im Herbst erscheinen -- tĂĽfteln fĂĽr den Spielehersteller Sunflowers seit drei Jahren bis zu 50 Mitarbeiter, so Jochen Bauer. Neben Programmierern sind das zum Beispiel Grafiker und Musiker.
"Wir haben uns überlegt, welches Spiel wir selbst am liebsten spielen würden", sagt Programmierer Timo Ullmann aus Berlin. Am Ende der Überlegungen stand eine fünfseitige Bewerbungsmappe für das Spiel Yager, mit der Ullmann und ein paar Kollegen bei den Herausgebern von Computerspielen hausieren gingen. In der Mappe -- mit Bleistift und Ölfarben skizziert -- waren die Hauptfiguren und die Spielorte zu sehen. Zusätzlich hatte das Team beispielhafte Spielabläufe festgehalten und die technische Umsetzung umrissen. Eine kleine Demoversion vermittelte einen ersten Eindruck des Spiels, bei dem der Spieler in die Rolle eines Söldners schlüpft, um mit einem Raumgleiter gegen das Böse zu kämpfen.
Die US-amerikanische Firma THQ zeigte sich vor drei Jahren von der Idee der Entwickler aus Berlin überzeugt und investierte in das Projekt. "Das grenzt an Selbstausbeutung", fasst Ullmann den Weg zusammen, den sein Team seit der Zusage gegangen ist. Während etablierte Teams für eine solche Entwicklung ein Budget von rund vier Millionen Euro veranschlagten, gaben sich die Newcomer nach eigenen Angaben mit weniger als einem Viertel davon zufrieden. Im Herbst soll ihr neues Spiel für die Xbox vorgestellt werden.
Vor dem eigentlichen Programmieren wird in der Regel eine Menge Kopf- und Papierarbeit geleistet: "Nach dem Exposé folgen Grobkonzept, Storyboards, Charakterstudien, Studien zur Programmiertechnik und Prototypen", erläutert Bernd Almstedt, Pressesprecher des kürzlich vor dem Konkurs geretteten Spieleentwicklers Ascaron in Gütersloh. Daran schließe sich ein Feinkonzept an, das dann die Grundlage für die Projektplanung bilde. Erst dann beginne die eigentliche Arbeit für das Entwicklungsteam.
Die Arbeit besteht für die Programmierer, Grafiker, Sounddesigner, Musiker und Zeichentrickspezialisten vor allem darin, die Skizzen und Entscheidungsabläufe der Design-Dokumente in Computersprache zu übersetzen. Sie erstellen Computerbilder, Videos, zur Atmosphäre passende Akustik, virtuelle Landschaften und Modelle von Spielfiguren, die mit selbst entwickelten Werkzeugen zum fertigen Spiel zusammengesetzt werden.
Beim Programmieren zeige sich dann auch, ob die Ideen funktionieren, sagt Ullmann. "Bei Yager haben wir festgestellt, dass wir zu viele Handlungsorte geplant hatten. Deshalb haben wir nun weniger gemacht, aber dafür mehr auf Details geachtet." In Strategiespielen dienen solche Kleinigkeiten auch dazu, dem Spieler Erfolg oder Misserfolg seiner Entscheidungen zu verdeutlichen. In Anno 1503 zeigen etwa die sich drehenden Flügel einer Windmühle an, dass es mit der Wirtschaft gut läuft.
Damit auch die Spiele selbst gut laufen, verbringen alle Entwicklerteams viel Zeit mit dem Testen ihrer Schöpfungen. Dazu werden entweder treue Fans vor dem eigentlichen Verkaufstart mit Test-Versionen versorgt oder man leistet sich eine eigene Testabteilungen. Trotzdem weisen auch fertige Computerspiele in der Regel Fehler auf. Moderne Spiele arbeiten Jochen Bauer zufolge mit so komplexen Entscheidungsabläufen, dass selbst moderne Prozessoren bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet werden. (Christoph Podewils, dpa)/ (tol)